Mittelalter, 100 Bilder - 100 Fakten
den Einsatz im Orient rekrutiert. Der ausgedehnte Ost-West-Verkehr zwischen den Ordensniederlassungen mit gewaltigen Geldtransfers machte die Ordensleute zu wahren Finanzexperten. Wie Bankiers wickelten sie nicht bloß die eigenen Geschäfte, sondern auch die der Pilger und der großen Herren ab, verwahrten und verliehen Geld. Der immense Reichtum sollte schließlich ihr Verhängnis werden. Im Oktober 1307, mehr als anderthalb Jahrzehnte nach dem Ende der fränkischen Herrschaft in Outremer, ließ der französische König Philipp IV. der Schöne in einer Polizeiaktion größten Stils die Templer in Frankreich verhaften und vor Gericht stellen. Die Anklage lautete auf Gotteslästerung, Götzendienst, obszöne Riten und Homosexualität. Diesbezügliche Geständnisse wurden auf der Folter erpresst. Papst Klemens V. sekundierte mit der 1312 verfügten Aufhebung des Ordens.
Die Fürsten Europas bemächtigten sich des Ordensbesitzes, allen voran natürlich der französische König. Aber entweder hatten die Gerüchte übertrieben, oder die staatlichen Finanzbeamten fanden tatsächlich nicht alles, jedenfalls wollte und will die Mär von versteckten und vergrabenen Schätzen bis heute nicht enden.
Der König und seine Höflinge beobachten die Verbrennung der Templer. Miniatur aus den „Chroniques de France“, 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts. Insgesamt 56 Tempelritter wurden 1310 bzw. 1314 als Ketzer zum Feuertod verurteilt
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(c) dpa/Picture Alliance, Frankfurt am Main
Bonifaz VIII. überreizt seine Karte
Das Papsttum im Avignonesischen Exil (1309-1376)
Das Ende der Staufer Mitte des 13. Jahrhunderts schien den endgültigen Triumph des Papsttums zu bedeuten. Der Niedergang des Reiches beraubte die Päpste jedoch ihrer weltlichen Stütze. Bald zeigte sich, dass die päpstliche Macht hauptsächlich auf der Schiedsrichterrolle zwischen den Gewalten beruht hatte; eine ausreichende weltliche Machtbasis war nicht vorhanden. Die päpstliche Lehenshoheit hatte in dieser Zeit mehr und mehr nur symbolische Bedeutung. Die Entwicklung zum Landesstaat, die gerade in der staufischen Epoche deutlich wird, führte immer klarer zur inneren Aushöhlung des Lehenssystems.
Bulle „Unam sanctam“
Bonifaz VIII. (Benedetto Caetani), 1294 zum Papst gewählt, versuchte noch einmal das Ruder herumzureißen und den Primat des Papstes mit aller Deutlichkeit zu demonstrieren. Statt im geistlichen Ornat trat er bisweilen mit den Reichsinsignien geschmückt auf. Er deklarierte das Jahr 1300 zum Jubeljahr (erstes Heiliges Jahr der Kirche). Die Huldigungen, die er dabei auch von Fürsten und hohen Herren erfuhr, und der große Strom der Pilger, der Rom überschwemmte, ließen ihn jedes Maß verlieren.
Bonifaz’ Gegner war der französische König Philipp IV. der Schöne (1285–1313). Im November 1302 verkündete Bonifaz in der Bulle „Unam sanctam“ die weltliche Vorherrschaft des Papsttums. Als der König Protest einlegte, beschied ihn Bonifaz kühl, dass er nicht die Herrschaft über Frankreich beanspruche, wohl aber die über seinen Herrscher. Damit hatte er seine Karte überreizt. Philipp organisierte im Bund mit der italienischen Fürstenfamilie Colonna einen Putsch gegen den Papst mit dem Ziel, ihn nach Frankreich zu bringen, damit er sich vor einem Konzil verantworte.
Daraus wurde vorerst nichts, weil aufgebrachte Bürger von Anagni den Papst, der sich in ihrer Stadt, übrigens seinem Heimatort, aufhielt, vor dem Zugriff schützten. Bonifaz starb wenig später, als gebrochener Mann. Mit Klemens V. (Bertrand de Got), der 1305 den Stuhl Petri bestieg, fand König Philipp den gefügigen Mann, den er brauchte; allerdings hatte er diesmal bei der Wahl auch mit viel Geld nachgeholfen. Klemens, selbst Franzose und Erzbischof von Bordeaux, folgte dem Gebot des französischen Königs und zog 1309 mit der päpstlichen Hofhaltung nach Avignon um. In der Stadt an der Rhone begann das Exil der Päpste, auch „babylonische Gefangenschaft der Kirche“ genannt, das bis 1376 dauern sollte.
Üppige Hofhaltung
Das Exil der Päpste in Avignon war ein bequemes, von „Gefangenschaft“, wie gerne behauptet wurde, konnte keine Rede sein. Um die Kirche St-Étienne wurde ein Palast errichtet, der Platz für eine üppige Hofhaltung bot. Kunstsinnige Päpste ließen ihn mit wertvollen Fresken versehen. Auch für die Kirchenorganisation war der Aufenthalt in Avignon von Vorteil. Hier nämlich bekam die päpstliche Finanzverwaltung erst ihre volle Ausbildung.
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