Mittelalter, 100 Bilder - 100 Fakten
dominierten den Stadtrat, der nur ein Ausschuss der jeweils führenden Familien war, und ließen nur ausnahmsweise einzelne aufstrebende Personen als Neumitglieder zu. Ihre Gegner nennt die Forschung Bürgeropposition. Darin versammelten sich Handwerker und kleine Kaufleute, alle wohlorganisiert in berufsständischen Verbänden, dazu noch einzelne Patrizier, die ihrer Klasse den Rücken gekehrt hatten. Der Streit entzündete sich zumeist an Geldfragen. Die Stadtgemeinde empörte sich über Steuererhöhungen, sie fing an nachzufragen, wozu die städtischen Einnahmen verwendet wurden, kritisierte kostspielige außenpolitische Unternehmungen und forderte die Einrichtung von Kontrollgremien, schließlich die Änderung der Verfassung, etwa um die Zünfte am Rat zu beteiligen.
Aufstand in Köln
In Köln endete die Macht der alteingesessenen Fernhändlerfamilien, „Geschlechter“ genannt, abrupt. Am 18. Juni 1396 übernahmen zunftmäßig organisierte Handwerker und Kaufleute in einem unblutigen Putsch das Stadtregiment. Ihre Gegner lösten die Aktion unfreiwillig aus, indem einer von ihnen, der Bürgermeister, abends durchs Handwerkerviertel ritt und von seinem Pferd herunter die Leute fragte, ob sie nicht bald zu Bett gehen wollten. Sie erwiderten, das sollte er ihre Sache sein lassen, warfen ihn vom Pferd, sammelten sich und zogen vor die Versammlungshäuser der Geschlechter, um diese zu entwaffnen. Im sogenannten Verbundbrief vom September 1396 schufen sie sich eine Verfassung, die bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts in Kraft blieb. Ihr Herzstück war die Ratswahlordnung: Sie legte fest, dass die städtische Selbstverwaltung in den Händen von Zunftmitgliedern liegen sollte, die von den verschiedenen Handwerker- und Kaufleuteverbänden nominiert wurden
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Der Streit konnte bis zu Gewalttätigkeiten eskalieren. Rathäuser wurden gestürmt, es kam zu Lynchjustiz. Vielfach emigrierten die angegriffenen Patrizier und nahmen von den Nachbarstädten aus den Kampf gegen ihre Heimatgemeinde auf. Im Falle der Hansestädte wurde das Mittel der „Verhansung“ benutzt: Man verhängte eine Handelssperre gegen die Stadt, in der der Aufruhr tobte. Nicht immer gelang es dem Patriziat, sich durchzusetzen. In vielen europäischen Städten wurden Verfassungen eingeführt, die mehr Raum für bürgerliche Mitsprache boten.
Köln zählte im späten Mittelalter 30 000 Einwohner und übertraf damit jede andere deutsche Stadt. In seinem Hafen, hier eine Darstellung von 1531, wurden Waren aus England und Flandern genauso umgeschlagen wie Lieferungen aus Süddeutschland und vom Oberrhein
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(c) dpa/Picture Alliance, Frankfurt am Main
König Waldemar muss Frieden schließen
Die Hanse gegen Dänemark (1361-1370)
Lasst uns verhandeln, denn leicht ist die Kriegsflagge gehisst, aber nur schwer wieder eingeholt, so lautete ein Spruch, den ein Lübecker Ratsherr einmal formulierte und der als außenpolitische Grundüberzeugung der Hanse gelten kann. Aber es gab Anlässe, bei denen nichts mehr zu verhandeln war.
Das war der Fall, als der dänische König Waldemar IV. Atterdag (1340–1375), mit dem die Hanse ohnehin Probleme wegen der Fischfangrechte in der Ostsee hatte, 1361 ein Mitglied der Hanse, die Stadt Visby auf Gotland, angriff und nieder brannte.
Kölner Konföderation
Die Hanse machte mobil. Ein erstes Unternehmen gegen Kopenhagen schlug noch fehl. Doch die Hanse dachte nicht ans Aufgeben. 1367 trafen sich Gesandte aus 57 Städten von Dorpat im Osten bis Utrecht im Westen in Köln zu einer der bedeutendsten Versammlungen der Hansegeschichte. Sie schlossen ein Bündnis, die Kölner Konföderation, um den Krieg gegen Waldemar IV. Atterdag aufs neue zu beginnen. Schweden, Mecklenburg und Holstein sowie oppositionelle dänische Adlige wurden in das Bündnis mit einbezogen.
Der Krieg begann im Frühjahr 1368, und diesmal lief alles nach Plan. Die Hanseflotte traf sich im Sund vor Kopenhagen, die dänische Hauptstadt fiel nach kurzer Belagerung, ebenso kapitulierten Trelleborg, Malmö, Falsterbo und andere Küstenstädte. Die Holsteiner rückten in Jütland vor. Dänemark blieb nichts übrig, als um Waffenstillstand zu bitten. In Stralsund schloss König Waldemar am 24. Mai 1370 Frieden mit der Hanse.
Dominanz nicht zu halten
Dass es dem Kaufmannsverband gelungen war, ein Königreich in die Knie zu zwingen, war eine Sensation. Die Dominanz, die die Hanse im Ostseeraum errungen hatte, ließ sich auf Dauer aber doch nicht halten. Zwar
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