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Mittelreich

Mittelreich

Titel: Mittelreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Bierbichler , MITTELREICH
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betäubten Sau, die sich hoch aufgerichtet hatte, als der Schlag sie traf, und dann schwer nach unten geplumpst war – stand da und rührte sich nicht mehr. Das Schlachtbeil in den Händen sank herunter, mit zwei kleinen Trippelschritten verbreiterte er noch mal seinen breiten Stand und starrte, ohne jede Regung den Blick der fast schon toten Sau, der an die Decke stierte, kreuzend, mit dem seinen schräg nach unten auf den Schlachthausboden.
    Es wird ihm doch nichts passiert sein!
    Besorgt und stumm sahen der Viktor und der Semi ihn an. Er stand da wie eine auf der Kippe stehende Tonne, die jeden Moment umfallen konnte. Was würde sich aus ihr ergießen, dachte verschreckt der Semi. Wie um ihn festzuhalten, griff er nach des Zubers Arm und fragte: Storch, Storch, was ist denn los. Ist dir nicht ganz gut? Hast du was mit deinem Herz, oder ist was mit dem Kopf? Jetzt sag doch was!
    Da aber kommt Bewegung in den Zuber. Breitbeinig, wie er dagestanden ist, watschelt er zum Wassergrand und stützt sich auf. Und steht so wieder eine Weile still. Und wieder schauen sie besorgt auf ihn und unentschlossen.
    Mechte wohl am besten sein, wir rufen einen Doktor, flüstert Viktor, womöglich hat er gar bekommen einen Herzinfarkt.
    Da aber richtet sich der Zuber endlich wieder auf, macht eine halbe Drehung zu den beiden hin, und sagt beinahe stolz: Kruzifix! Jetzt habe ich die Hose vollgeschissen.
    Und mit dieser klaren Botschaft belebte sich auch das Wahrnehmungsvermögen der beiden Helfer wieder, und sie rochen mit Entsetzen, was des Zubers Worte ihnen verhießen. Den störte das Grauen in den Gesichtern der anderen nicht. Er setzte sich, immer noch breitbeinigen Schritts, in Bewegung.
    Lasst alles liegen und stehen, wie es ist. Ich muss schnell hinüber aufs Häusl. Das dauert nicht lang. So schnell stockt in der Sau das Blut schon nicht. Bin gleich wieder da.
    Damit ging er.
    Der Viktor machte die Tür weit auf, der Semi öffnete das Fenster. Danach standen sie stumm einander gegenüber. Der Viktor sagte: No, er ist halt besoffen. Der Semi legte noch ein Scheit in den Ofen und stellte den Blechkübel näher zur Sau hin, in dem das Blut aufgefangen werden sollte nach dem Stechen – wenn es dann noch flüssig war.
    Abwechselnd schauten sie aufs Haupthaus hinüber, wo im Parterre das geschlossene Fenster der Herrentoilette neben dem geöffneten Damentoilettenfenster zu sehen war. Sie hofften, das Geschäft des Zuber durch beschwörende Blicke beschleunigen zu können. Bald ging auch das Fenster der Her rentoilette auf, und einen kurzen Moment lang war das breite Gesicht des Zuber zu sehen. Etwas nicht ganz Weißes flog heraus, dann wurde das Fenster wieder geschlossen. Guck mal, was es ist, sagte Viktor zu Semi.
    Der ging hinaus und über den Hof, bückte sich nach unten und kam wieder zurück. No, und? fragte der Viktor. Seine Unterhose ist es, sagte der Semi. Er hat seine Unterhose aus dem Fenster geschmissen, die vollgeschissene.
    Über den Hof stakte normalen Schritts der Storch, unten herum gekleidet in seine verbeulte, speckige Lederhose. Schnurstracks ging er auf den Schlachttisch zu, griff nach dem einen Messer, wetzte es mechanisch noch einmal mit zwei, drei Strichen durch, bückte sich dann zur betäubten Sau hinunter, die mit einem Aug schon wieder blinzelte, und öffnete mit zwei gekonnten Schnitten ihre Gurgel. Das tiefrote Blut schoss heraus und hinein in den Blechkübel, den der Zuber so tief hielt, dass nichts vom wertvollen Saft verloren ging. Zum Händewaschen hat der keine Zeit gehabt, so schnell wie der wieder da war, dachte Semi, und nahm sich vor, diesmal auf die begehrten Leber-, Blut- und Zwiebelwürste zu verzichten. Dann begann auch er die Arbeit, und rieb die tote Sau mit gelbem Pulver ein, das dem Borstenvieh die Borsten nehmen sollte. Viktor legte zwei daumendicke Ketten über den Sautrog, in dem die Sau gleich mit heißem Wasser übergossen und dann mit den Ketten von vorne nach hinten und von hinten nach vorne abgerieben und einmal auf den Rücken und dann wieder auf den Bauch gedreht werden würde und so weiter, und so weiter ...
    Und der Schlachttag nahm seinen Lauf, verspätet zwar und nicht wie geplant, aber letztlich wie immer. Nur der Storch war diesmal unter seiner Lederhose drinnen nackt. Mehr nicht.
     
    Diese Vorstellung löste ein Gefühl ungeheurer Bedrohung bei Semi aus. Eine panikartige Hektik ergriff ihn. Er schüttete fast den ganzen Beutel des schwefelgelben Pechs über die Sau,

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