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Mittelreich

Mittelreich

Titel: Mittelreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Bierbichler , MITTELREICH
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langsam, sagte er bissig, gell, sonst kommen wir noch in die Nacht hinein. – Wasser wurde immer viel gebraucht beim Sauschlachten, heißes Wasser. Hitze ist das Grundelement bei der Transformation des Fleisches vom Lebewesen zum Nahrungsmittel.
    An der Entschiedenheit des Zuber, der wortlos und stoisch seine Vorbereitungen traf, sahen alle, dass der schon abgeschriebene Schlachttag doch noch begonnen hatte. Keiner aber traute sich im Moment darüber nachzudenken, wie er enden würde.
    Wenn du meinst, dann schlachtest du sie eben noch, sagte matt der Seewirt von der Türe aus zum Zuber, auf mich kannst du sowieso nicht zählen, weil ich nichts mehr heben kann. Der Herr Hanusch und der Semi helfen dir, die haben schon oft zugeschaut beim Schlachten, die können das auch.
    Wann ist denn jetzt deine Operation endlich? Man sieht es dir ja an, dass dir was fehlt. Du hast nämlich schon mal bes ser ausgeschaut. Mitleidig schaute der Zuber den Seewirt an, ließ sich aber von seinen Vorbereitungen nicht abhalten.
    Ja wann! Nächste Woche halt endlich einmal.
    Der Seewirt sah grau aus und zusammengefallen, abgemagert und unfroh. Er konnte keine Nacht mehr durchschlafen, weil ihn die Schmerzen in den Hüften stündlich aus dem Bett hinaustrieben. Tagsüber schlich er herum und stöhnte vor sich hin. Der Tod wäre ihm gelegener gekommen, so weit war er schon, gelegener als jede noch so kurze Wartezeit. Aber für die kommende Woche hatte er endlich einen Operationstermin im Rotkreuzkrankenhaus in der Hauptstadt gekriegt, und so lang wollte er jetzt doch noch durchhalten. Die Seewirtin hatte es ihm als Versprechen abgerungen. Aber nur dieses Versprechen hielt ihn noch zurück. Sonst, so hatte er schon mehrmals zu ihr gesagt, täte er für nichts mehr garantieren.
    Aha, tat der Zuber interessiert und wetzte dabei das erste Messer, und was wird jetzt da genau gemacht? Schneiden die dich oberhalb der Schenkel in der Mitten durch, schmieren deine alten Knochen ein mit Staufferfettn und dübeln dich danach mit Schrauben wieder z’sam, oder wie?
    Ja ja, du kannst leicht lachen, antwortete der Seewirt milde. Aber solang du solche Schmerzen selber nicht ertragen musst, kannst du sie dir auch nicht vorstellen. Durchgeschnitten wird da nichts. Aufgeschnitten schon. Dann wird ein künstliches Gelenk verlegt, und das war’s. Hernach ist noch Reha. Und wenn die vorbei ist, dann helf ich dir wieder beim Schlachten. Nur haben die das auch noch nie gemacht. Das machen die bei mir zum ersten Mal. Und das ist schon ein Risiko. Aber mir ist das jetzt wurscht. Wenn es schiefgeht, bin ich gelähmt. Aber dann hab ich wenigstens keine Schmerzen mehr danach.
    Dann bist ja du glatt ein Versuchskarnickel von denen! Sauber! Abschätzig schaute der Zuber den Seewirt an. Nie würde er seinen eigenen Körper zu einem Laboratorium fremder Wissbegierde degradieren lassen. Das schien ihm unvorstellbar. Ärzte waren für ihn Menschen, an denen man sein Mütchen kühlen konnte. Angriffsfläche des kleinen Mannes, um zu zeigen, dass man den sehr wohl erkennt, der was Besseres ist, aber keineswegs gewillt, deshalb vor Respekt und Ehrfurcht zu vergehen. Ärzte, Anwälte, Beamte: Man zeigte ihnen auf Zuber’sche Art, die weit verbreitet war, dass zumindest Spott vor keiner Standesgrenze anhält. Danach fühlte man sich besser.
    Pass auf, sagte er zum Seewirt, wenn es schlecht hinausgeht, dann zieh ich dir das Fell ab, und wir verkaufen dich als Karnickelfleisch. Das kriegt dann deine Alte als Witwenrente. So. Und jetzt halt mich nicht länger auf. Sonst kommen wir tatsächlich noch in die Nacht hinein.
    Der Seewirt ging mit verzerrtem Gesicht davon, und der Zuber wetzte mit gebleckten Zähnen seine Messer.
    Niemand hatte während dieses Geplänkels die Sau beachtet, die die Steige verlassen hatte und an allem herumschnüffelte, was sie über den glatten, feuchten Betonboden erreichen konnte, bis sie ausrutschte und quiekend und strampelnd nicht mehr aufkam. Leicht zitternd blieb sie endlich auf ihren angewinkelten Vorderläufen liegen, während sie die hinteren weit gespreizt von sich streckte. Nicht, weil diese Haltung ihr mehr Bequemlichkeit verschaffte, sondern weil ihr keine andere Haltung mehr gelang, da dem Horn ihrer kleinen Hufe auf dem harten, glatten Boden kein Halt gegeben war. Das betonierte Pflaster diente auf ausgeklügelte Weise dazu, das Tier nach der Ankunft im Schlachtraum seinen Schlächtern hilflos auszuliefern.
     
    Breitbeinig und herrisch

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