Mittelreich
zugetanen Metzgers. Ich mach das schon, sagte er zu beiden und nahm im Laufschritt seinen Weg vom Schlachthaus durch den Kuhstall in die Küche, ließ dort sich von der Seewirtin die angeforderten Geschmacksverstärker geben, kam wortlos wieder, und wortlos zogen sie zusammen die nackt rasierte Sau an ihren Hinterläufen mit den alten Flaschenzügen an den zwei eingelassnen Haken auf, bis nah heran an die vom Ruß geschwärzte Decke. Mit feinen Schnitten öffnete der Zuber, Strich für Strich die Fettschicht ritzend, nach und nach den Schweinebauch, wie endlos lange Würste voller Scheiße quoll Gedärm hervor und hin an seine Brust, an die des Zuber, der seinen linken Arm darunter hielt, während er mit seinem anderen im offnen Hohlraum des Kadavers wühlte und immer mehr und mehr von den warm dampfend prallen Scheißeschläuchen aus dem Innern grub, Bauch an Bauch mit der gehängten Sau ..., und mit einer halben Drehung wuchtet er mit einem Mal das Därmgebirge von der Brust hinüber auf den Schlachthaustisch, wo es in sich zusammensackt und sich weich schmatzend und verfließend ausbreitet und dehnt, hin übern ganzen Schlachthaustisch. Warm riecht das Gemenge und vertraut, wie nach eigenen, allein genossenen, angenehm duftenden Fürzen. Appetit stellte sich ein.
Zügig schnitt der Zuber der Sau den Kopf ab und zerkleinerte ihn neben den Därmen in kleine mundgerechte Stücke. Eigenhändig warf er sie in den brodelnden Kessel. Den Viktor schickte er ums Buchenholz hinaus: Aber nur getrocknetes, rief er hinterher. Vor Semi legte er die Leber hin und zeigte mit zwei vorgeschlitzten Kerben je die Größe an, in die sie zu zerlegen war. Das Herz bearbeitete er selbst. Aus dem Halsgrat säbelte er ein halbes Dutzend großer Lappen pures Fett heraus, die Haxen hieb er mit dem Beil vom Rumpf, die Milz ritzte er mit fein geführten Schnitten von den andern Innereien ab, schlitzte noch den Magen und den Mastdarm auf, reinigte sie mit Salz und Essig vom Verdauten und warf dann alles in den dreckig braun brodelnden Sud des Kessels.
In einer Stunde gibt es Kesselfleisch, rief er und schickte endlich beide Helfer weg. Das Reinigen der Därme war alleine seine Sache. Hier wollte er auf keinen Fall etwas riskieren. Sein Ruf stand auf dem Spiel.
Und ein Maß Dunkles kannst du endlich bringen, dafür ist es jetzt nicht mehr zu früh, schrie er den beiden hinterher und schloss die Türe hinter sich.
Der Schlachttag war gelaufen. In einer Stunde würde es dunkel werden. Bis dahin aber waren die Därme gereinigt. Der Rest der Arbeit konnte auch im Licht der petroleumgespeisten Stalllaterne abgeleistet werden.
Die Seewirtin knetete den Nudelteig, als Viktor und Semi sich an den Küchentisch zum Pausemachen setzten. Am Sonntag war Kirchweih. Ihre Kirchweihnudeln waren als Nachspeise nach dem traditionellen Gansessen immer sehr gefragt.
Sie wurden serviert auf kleinen Tellern, dick bestäubt mit Puderzucker, dazu eine Tasse frisch gebrühten Bohnenkaffees, in den die Gäste ihre Kirchweihnudeln tauchten und dann genussvoll daran zuzelten. Kleine weiße Schnurrbärte aus Puderzucker verjuxten danach für eine kurze Weile die strengen Gesichter der feinen Herrschaften und vertieften die Gewöhnlichkeit ihres vornehmen Gesichtsausdrucks: Das Gesicht der diszipliniert ausgelebten, der formvollendeten Gier kam zum Vorschein. Aufklärung war auch über eine Kirchweihnudel zu haben.
Semi war am nächsten Tag schon wieder abgereist ins Internat. Mit dem Bus fuhr er um acht Uhr in der Früh nach Seestadt und von da aus mit dem Regionalzug weiter in die Hauptstadt. Dort musste er zwei Stunden auf den Zug nach Obergrabenkirchen warten, mit dem er dann, drei Stunden noch und eine halbe, bis ins Hochlandtal von Untersteinsdorf fuhr. Von Untersteinsdorf schließlich quälte sich der Bus noch beinah eine Stunde lang die steile, serpentinenlose Bergschluchtstraße bis hinauf zum Felsenkessel, in den hinein im Schatten der Kartaiserberge sich das Knabeninstitut und Jesuitenkloster Heilig Blut wie eine mittelalterliche Zwingburg duckte und ihm seit gut neun Jahren Nahrung, Unterkunft und Schulausbildung und auch sonst noch allerlei Erlebniswelten bot.
Es war schon dunkel, als er gegen acht Uhr abends dieses Ziel erreichte und dem Pfortenbruder seine Rückkunft aus den Ferien vermeldete. Nach ein paar Floskeln, mit denen er den zweiflerischen Mönch beruhigte, ging er zu seiner Unterkunft im ersten Stock des Ostteilflügels,
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