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Mittelreich

Mittelreich

Titel: Mittelreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Bierbichler , MITTELREICH
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nicht mehr weit zum Schlag ausholen. Nach dieser Fuhre wird der Seewirt sie zum Verlassen des Kellers auffordern. Dann werden die beiden letzten Fuhren vor dem Einfüllloch zerhauen und in kleinen Brocken durch das Kellerloch geworfen. Anschließend wird die Öffnung mit zwei Lagen Brettern verschlossen, zwischen die zur Wärmedämmung Heu und Stroh gestopft und mit Torfmull und Humus verdichtet wird. Bis zum nächsten Winter wird dann hier nichts mehr angerührt werden, denn bis in den kommenden August hinein muss das Eis Getränke, Milch- und Fleischprodukte kühlen.
    Am Abend, der Tag hält sich jetzt schon wieder etwas länger, sitzen die Männer um den großen Küchentisch herum und machen Brotzeit. Ihr Gespräch dreht sich um den Traktor, den der Seewirt, dieser furchtbar zögerliche Mensch, nun vielleicht doch noch in diesem Frühjahr kaufen wird.
    Der Finsterle will mir einen Lanz verkaufen, das wäre momentan der angesagte Bulldog, sagt er, und Ersatzteile würden immer gleich geliefert. Andererseits, ereifert sich der Seewirt weiter, ist der Normag um mehr als fünfzehnhundert Mark billiger. Das ist kein Pappenstil. Und wenn die Rechnung für das neue Hausdach abbezahlt ist, hab ich für den teuren Bulldog sowieso kein Geld mehr über.
    Das mag ja stimmen, drängelt sich der junge Neffe jetzt schon wieder mit seiner lauten, doch noch ausgesprochen unerfahrenen Meinung vor, aber die Zukunft gehört dem Fendt Bulldog, da könnt ihr sagen, was ihr wollt. Und wisst ihr auch warum? Weil der Fendt hinten und vorn eine Zapfwelle dran hat. Dafür erfinden die in der Zukunft Maschinen, die Arbeiten verrichten werden, dass wir uns das heut noch gar nicht vorstellen können. Da kann dann vielleicht einmal einer ganz alleine seinen Hof erhalten. Wer weiß? Und die depperte Schwungscheibe, die der Lanz da immer noch an der Seite hat ... – also bittschön! So was gehört in ein Museum hinein, aber doch nicht auf eine gemähte Wiese hinauf. Oder Zenz?
    Ja ja, das werden wir dann schon sehen, wenn es einmal so weit ist, sagt der Zenz, dem das vorlaute Reden des Neffen ziemlich auf den Senkel geht. Im Moment jedenfalls bin ich mit meinem Lanz zufrieden. Und soviel ich gehört hab, habt ihr euren Fendt schon dreimal beim Reparieren gehabt in den zwei Jahren, die ihr ihn jetzt habt. Wie viel von euerm Milchgeld habt ihr denn dem Finsterle da hingeblättert, ha?
    Erstens waren zwei Reparaturen noch auf Garantie. Und zweitens ist das eine Vorführmaschine, die hauptsächlich von Lanzbulldogfahrer ausprobiert worden ist vorher, weil die auch mal mit einem gescheiten Bulldog fahren wollten, kontert ihn der Neffe, und die werden mit der fein austarierten Technik von dem Fendt wahrscheinlich umgesprungen sein, wie im KZ die Wächter mit die Juden, oder? Ha! Wenn die nicht mehr richtig gezogen haben, dann hat die SS Gas gegeben. War doch so, oder? Und so haben es die Lanzbulldogfahrer mit dem Vorführfendt wahrscheinlich auch gemacht: Andauernd Vollgas gefahren beim Ausprobieren. Weil’s ja nix kostet. Klar! Logisch, dass ich jetzt einen Vergaser und eine neue Einspritzpumpe brauch, beide kaputt gemartert von die Lanzer!
    Mit der Gabel sticht er in ein saftiges Stück Ripperl und zieht es vom Tablett herüber auf den Teller. Aufgedreht und angriffslustig schaut er dem genervten Zenz, der ihm gegenübersitzt, in sein Gesicht und kaut das Fleisch mit offnem Maul wie ein Ami seinen Tschuing Gam.
    Die anderen Männer schauen vor sich hin und sagen lieber erst mal nichts.
     
    Mare! Jetzt tu doch mal den Hund hinaus, raunzt der Seewirt zu der Alten Mare hinüber, die an der Anrichte hantiert. Ich hab’s euch doch schon hundertmal gesagt, dass ihr den nicht dauernd in die Küche hereinlassen sollt, Herrschaftszeiten! Wir sind ein Wirtshaus!
    Der Lux, der die ganze Zeit schon unbemerkt und ohne jeden Mucks wie ein aufgerollter Flickenteppich unterm Tisch gelegen hat, während über ihm die Männer ihre Brotzeit machten, hat gerade wieder einen seiner fürchterlichen Winde abgehen lassen.
    Komm, Luxl, komm!, lockt die Alte Mare den mumienhaften Hundekörper unterm Tisch hervor. Mit ihren gichtgekrümmten Fingern und einem alten Lappen, zerfranst und schmierig wie der alte Hund, rieb sie die ganze Zeit schon, seit die Männer miteinander reden, einen rußgeschwärzten, rostgebräunten Kochtopf aus, ausgemustert schon seit Jahren, und verlor sich so in einer Arbeit ohne Sinn. Das sind sie eben, diese weiter pulsierenden, nicht mehr

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