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Mittelreich

Mittelreich

Titel: Mittelreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Bierbichler , MITTELREICH
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Tafelwagen umzubauen, der noch auf alten Holzrädern, die in eiserne Ringe gefasst waren, dahingerumpelt war. Jetzt schiebt ihn der Gaul, langsam rückwärtsgehend, aufs Eis, gleich unterhalb der Seewirtschaft, und es sieht so leicht aus, als würde er schweben. In zirka zwanzig Meter Entfernung vom Ufer spannt der Seewirt das Pferd aus und führt es wieder zurück auf festen Grund. Dort bindet er es an die Eberesche hin und wirft ihm ein Bündel Heu, das in eine Rossdecke eingewickelt ist, zum Fressen vor. Stoisch macht der Gaul sich darüber her.
    Der Neffe hat inzwischen zwei lange, acht Zentimeter dicke Holzläden als Rampe auf den Rand des Anhängers gelegt. Der Tucek sägt mit der Wiegensäge gleichmäßig durch das zwanzig Zentimeter dicke Eis, das in Ufernähe vom Bruch im Sturm verschont geblieben ist, während der junge Seewiesner von Seewiesen drüben mit der Axt die vom Tucek herausgesägten einen Meter breiten Streifen in quadratische Stücke hackt. Der Seewiesner ist erst vor zwei Jahren aus Sibirien heimgekommen, wohin er als 17 -jähriger Kriegsgefangener von den Russen verschleppt worden war und dem Wind und Kälte seitdem absolut nichts mehr anhaben können. Mit einem speziellen Eishaken fischen der Neffe und der Seewirt gemeinsam die immer noch schweren, aber nun handlichen Eisstücke einzeln und mit raffinierter Technik aus dem Wasser heraus und schieben sie, ebenfalls gemeinsam, über die Rampe hinauf auf den Gummiwagen. Wie eingefasstes klares Wasser liegen die Eisplatten auf der Wagenplattform und spiegeln den gräulichen Wolkenhimmel wider.
    Kannst deiner Frau einen Spiegel mitbringen, dass sie sich schminken kann, ha?, pflanzt der vorlaute Neffe den bescheidenen Tucek. – Eine Spiegel braucht die ned, sagt der, muss die jeden Tag sich kümmern um acht kleine Kinder, muss putzen, kochen, Windeln waschen, einkaufen. Da is nicht mehr so interessiert, wie ausschauen, Junge. Du schon auch noch kommen drauf, wenn du mal hast Frau. – Der Karl Tucek ist Tscheche und spricht etwas anders. Eigentlich ist er ja Sudetendeutscher. Aber die waren schon so lang in der Tschechoslowakei, dass ihr Deutsch schon recht ausgefranst ist. Mit seiner achtköpfigen Familie haust er im garagenkleinen Nebenhaus des Lassberghauses und muss schauen, wie er sie ernähren kann. Natürlich versteht der junge, noch gänzlich lebensunkluge Neffe kein Wort, denn auch er ist eins von sieben Kindern. Aber die wuchsen alle in einem großen Bauernhaus auf und hatten immer genug zu essen.
    Eine Ruhe ist!, mischt sich barsch der Seewirt ein, wir müssen den Eiskeller heute noch vollkriegen, morgen soll es Föhn geben, sagt der Wetterbericht. Also weiter!
    Von der Hofeinfahrt her hört man das Rattern eines Traktors. Der Zenz von Rohr lenkt seinen ziemlich neuen, aber schon gebrauchten Lanz Bulldog samt Anhänger mit Karacho an der Eberesche vorbei und fährt zügig zum See hinunter und aufs Eis, wo er in einem großen Bogen direkt hinter dem Gummiwagen vom Seewirt zum Stehen kommt. Wild reißt der erschrockene Bräundl an seinem Zaumzeug, das ihn mit dem Zugseil an die Eberesche bindet. Sofort rennt der Wirt hinauf und beruhigt das Tier mit den gewohnten Worten. Dann führt er es hinunter zum See und spannt es wieder an den nun voll beladenen Gummiwagen an.
    Wenn du nicht besser aufpasst, kann ich dich hier nicht brauchen, sagt er zum Zenz. Das Pferd ist einen Bulldog nicht gewohnt. Wenn es sich jetzt aus Angst losgerissen hätte und aufs Eis galoppiert wäre, was wäre dann gewesen? Ha? – Das sieht der Zenz ein und winkt ab. Schon gut, ich fahr langsamer. – Der Zenz wird dringend gebraucht mit seinem Fuhrwerk, denn während ein Anhänger mit Eis beladen wird, steht der andere oben vor dem Eiskellerloch und wird entladen. Durch den Einsatz eines zweiten Fuhrwerks wird also nur die Hälfte von der Zeit benötigt, die man mit nur einem Fuhrwerk brauchen würde. Und Zeit ist kostbar bei dieser von Schmelze bedrohten Eisarbeit.
    Im Eiskeller stehen schwitzend der Valentin und der Viktor und zerschlagen mit großen Schlegelhämmern die Eisplatten, die der Alte Sepp und der Lenker des jeweiligen Fahrzeugs nach einem laut gerufenen Obacht! Eis! durchs Kellerloch werfen. Zwischen Eis und Kellerdecke ist gerade noch ein knapper Meter Spielraum, so dass die Männer drinnen nur noch in gebückter Haltung ihre Arbeit machen können. Das ist äußerst anstrengend und nicht mehr sehr wirksam, denn die Männer können mit ihren Hämmern

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