Mitten im Gefühl: Roman (German Edition)
weiter als verlogene, betrügerische Warzenschweine waren.
»Tja, ich hab’s mal probiert«, meinte Daisy superbeiläufig, »aber es hat nicht funktioniert. Ach, das ist aber umwerfend schön.« Sie lenkte die Aufmerksamkeit auf das Hochzeitskleid, das Annabels Mutter liebevoll aus seiner Plastikumhüllung zog. »Was für ein Kleid! Und erst die Perlenstickerei!«
»Jede einzelne Perle wurde von Hand angenäht!« Annabel zwinkerte, während ihre Mutter voller Stolz errötete. »Mummy hat das Kleid für mich gemacht. Ist es nicht phantastisch? Sie hat monatelang daran gearbeitet.«
»Prachtvoll«, stimmte Daisy zu, obwohl gar so viele Perlen und verschlungene weiß-auf-weiß Stickerei eigentlich nicht ihr Ding waren. »Tja, ich lasse Sie jetzt besser allein. Ich schicke Ihnen eine Kanne Kaffee hoch. Läuten Sie einfach beim Empfang durch, wenn Sie noch etwas brauchen.«
»Danke.« Annabel ließ sich fröhlich auf das Bett fallen und begrub beinahe die umfangreichen Make-up-Utensilien unter sich, die ihre Schwester soeben ausgepackt hatte. »Hoppla, ich ungeschicktes Dummerchen! Jeannie macht mir erst die Haare, dann die Nägel, dann das Gesicht … sehen Sie nur, wie meine Hände zittern!«
»Bis später«, sagte Daisy und ging zur Tür. »Viel Spaß.«
Tara versuchte nicht absichtlich, Dominic zu beeindrucken. Aber es war ja nur natürlich, so gut wie möglich aussehen zu wollen, wenn man auf einen alten Freund stieß, den man seit Jahren nicht gesehen hatte. Keine Frau bei Verstand wünschte sich, dass ihr Ex erleichtert aufseufzte und dachte, dass er diesem Schicksal nur knapp entgangen sei.
Tara erschauderte bei diesem Gedanken. Hoffentlich dachte Dominic das nicht. Sie schminkte sich sehr viel aufmerksamer als sonst. Rein zufällig sahen ihre Haare toll aus. Und für das Sahnehäubchen an zusätzlichem Selbstvertrauen trug sie ihren pfauenblauen Push-up mit der Wahnsinnspolsterung. Das Kleid war natürlich eine Schande, aber das ließ sich nicht ändern. Wenigstens war es in schlichtem Marineblau. Tara wusste, was Zimmermädchenuniformen anging, hätte sie es weitaus schlimmer treffen können.
O Gott, das war noch etwas, auf das sie sich nicht freute. Während ihrer Zeit mit Dominic war sie eine aufstrebende Jungschauspielerin gewesen, mit Träumen und … äh … Ambitionen. Würde er sich krumm lachen, wenn er herausfand, womit sie sich dieser Tage ihren Lebensunterhalt verdiente? Oder schlimmer noch, würde er feixen?
Tara spielte kurz mit dem Gedanken, Dominic vorzuschwindeln, sie befinde sich auf einem Undercover-Einsatz im Hotel und würde heimlich die Arbeit von Zimmermädchen für eine hochklassige Fernsehserie auf ITV recherchieren. Das klang irgendwie eindrucksvoller.
Ach, Schluss damit, schimpfte Tara schließlich ungeduldig. Was tue ich denn da? Ich bin Zimmermädchen, und dafür muss man sich nicht schämen. Nicht jede von uns kann Kate Winslet sein. Also wirklich, heute ist Dominics Hochzeitstag. Es ist ihm schnurzegal, womit ich meinen Lebensunterhalt verdiene. Und mir ist es außerdem völlig piepe, was er von mir denkt.
Tara hörte, wie sich die Kellner unten Anweisungen zuriefen, während sie den Speisesaal vorbereiteten. Sie sah auf die Uhr. Es war 13 Uhr 30. Dominic würde jeden Moment eintreffen. Und Annabel, seine künftige Braut, hatte die letzten drei Stunden damit verbracht, sich für die Zeremonie aufzubretzeln.
Tara war froh, dass niemand in der Nähe war, der ihre Gedanken lesen konnte. Ihr fiel ein, wie sie stundenlang liebevoll ihre Unterschrift geübt hatte, für den Fall, dass sie Dominic heiraten würde. Tara Cross-Calvert hatte immens nach Schauspielerin geklungen. Um ehrlich zu sein, war sie wohl mehr in den Nachnamen als in Dominic selbst verliebt gewesen.
Doch nun würde sich in weniger als drei Stunden jemand anderes MrsCross-Calvert nennen und ihre glamouröse neue Unterschrift schwungvoll auf die Heiratsurkunde setzen dürfen.
Tara dachte, dass sie selbst höchstwahrscheinlich jemanden namens Grimshaw oder Winkle oder Puke heiraten würde.
Das Geräusch eines Wagens auf der Kiesauffahrt vor dem Haus scheuchte sie auf, aber es waren nur Hotelgäste – ein Amerikaner, der die lauteste Ehefrau besaß, die die Menschheit vorzuweisen hatte. Eine Ehefrau, wie Tara leider zu spät wieder einfiel, die sie gebeten hatte, die festen Kissen auf ihrem Zimmer durch weiche zu ersetzen. Wenn sie nicht wollte, dass ihr Trommelfell zerfetzt würde, sollte sie sich wohl
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