Mitten im Gefühl: Roman (German Edition)
Glücklicherweise gehörte sie nicht zu den gewalttätigen Frauen.
»Sie müssen sich entscheiden. Wenn die Hochzeit abgesagt werden soll, muss der Standesbeamte das erfahren.« Mit fester Stimme fragte Tara: »Wollen Sie Dominic heiraten?«
»Natürlich will ich Dominic heiraten! Natürlich !« Annabels Stimme vibrierte emotionsgeladen. »Ich liebe ihn. Alle sagen, wir seien das perfekte Paar. Und er liebt mich.«
Tara, die kaum zu atmen wagte, fragte vorsichtig: »Dann wird die Hochzeit also stattfinden?«
»Ja. Trotz Ihnen«, fuhr Annabel sie an. »Und ich will Sie heute Nachmittag gefälligst nicht mehr sehen.«
»Selbstverständlich nicht. Ich gehe jetzt. Danke, dass Sie mich angehört haben.« Zutiefst erleichtert, aber auch von Annabels Tonfall verletzt, ging Tara zur Tür.
»Gut, ich lasse alle wissen, dass die Hochzeit wie geplant stattfindet.«
»Und dann verlassen Sie das Hotel«, rief ihr Annabel frostig in Erinnerung.
»Und dann verlasse ich das Hotel.« Mein Gott, es musste einfachere Methoden geben, sich einen freien Nachmittag zu ergattern.
»Wird man Sie entlassen?«
»Das weiß ich nicht.« Tara kreuzte die Finger hinter ihrem Rücken. »Wahrscheinlich.«
»Gut.« Annabel spielte die Zicke nicht sehr gekonnt, aber sie versuchte wirklich ihr Bestes. »Menschen wie Sie kennen kein Schamgefühl. Ich hoffe, Ihnen ist jetzt klar, wie armselig Sie sind. Sie haben es verdient, Ihren Job zu verlieren.«
»Die Hochzeit steht wieder.« Tara erzählte Daisy in aller Kürze von ihrer stressigen Begegnung mit Annabel.
Daisy schüttelte den Kopf. »Das hättest du nicht zu tun brauchen.«
»Ich hab’s aber getan. Die hätten womöglich noch das Hotel verklagt.« Tara zuckte mit den Schultern. »Mein Wort gegen ihres. Wir hätten keine Chance gehabt.«
Das entsprach zweifelsohne der Wahrheit.
»Mag sein. Aber jetzt heiratet sie ein verlogenes Wiesel«, seufzte Daisy, die alles wusste, was es über verlogene Wiesel zu wissen gab. »Tja, das ist nicht unser Problem. Du bist ein Engel.« Sie umarmte Tara, die elend aussah. »Freu dich doch!«
»Sie wollen, dass du mich feuerst.«
»Du dummes Ding. Natürlich wirst du nicht gefeuert.«
»Was ist aus dem Trauzeugen geworden?« Tara, die Tränen der Erleichterung unterdrückte, wechselte das Thema. »Ich habe eigentlich erwartet, dass du ihn in der Zwischenzeit mit dem Hefter an die Wand getackert hast.«
»Der Gedanke schoss mir kurz durch den Kopf. Was für ein Kotzbrocken. Er sitzt jetzt mit Dominic an der Bar.« Daisy schnitt eine Grimasse, als ihr klar wurde, dass ihr nun die entzückende Aufgabe bevorstand, gegenüber Dev Tyzack zugeben zu müssen, dass er Recht und sie Unrecht gehabt hatte. Sie sah schon das überhebliche Grinsen in seinem Gesicht.
Die Vorbereitungen für die Hochzeit liefen wieder hektisch an, als Tara still und leise das Hotel verließ. Es hatte aufgehört zu regnen, aber die grauen Wolken hingen so tief wie ihre Lebensgeister. Warum hatte sie nicht auf Daisy gehört und mit einem der anderen Zimmermädchen die Schicht getauscht? Warum hatte sie nicht dem Drang widerstanden, Dominic wiederzusehen? Wie hatte sie auch nur eine Sekunde lang glauben können, es wäre lustig, ihn am Morgen seiner Hochzeit zu überraschen?
Tara schämte sich. Sie stapfte durch einen feuchten Haufen Blätter. Vor der Wahrheit konnte sie einfach nicht die Augen verschließen: Im Grunde war sie ebenso schuldig, als hätte sie sich Dominic an den Hals geworfen und ihm die Hosen bis auf die Knie gezogen.
Mein Gott, was für ein katastrophaler Tag.
Maggie Donovan stand mit einem freudigen Lächeln im Gesicht am Küchenfenster. Als ihr Geliebter die klapprige Holzpforte auf der Rückseite ihres Gartens erreichte, drehte er sich um, wie er es immer tat, und winkte ihr zu. Maggie winkte zurück, wie sie es immer tat, und dachte bei sich, wie gut er doch aussah, was für ein umwerfendes Lächeln er hatte, wie glücklich sie sich schätzen durfte, einen so besonderen Mann in ihrem Leben zu wissen, und wie …
Ach hör doch auf. Maggie versetzte sich eine mentale Ohrfeige. Du phantasierst schon wieder und machst dich lächerlich. Reiß dich zusammen, Weib. Der einzige Grund, warum er die hintere Pforte benützt, ist der, dass ihn dann niemand beim Verlassen deines Hauses sehen kann. Er lächelt und winkt zum Abschied, weil er soeben eine zufriedenstellende, geschäftliche Transaktion abgeschlossen hat. Und er ist auch nicht dein Liebhaber, er ist
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