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Mitten in Amerika

Mitten in Amerika

Titel: Mitten in Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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das Wetter draußen bei Ihnen ist. Tun Sie sich keinen Zwang an, erzählen Sie uns, was Sie nächste Woche zu tun gedenken. Wir werden uns vor Freude nicht mehr einkriegen.
     
    Der zweite Brief war kürzer.
     
    Bob Dollar.
    Mehr Abschlüsse, weniger Briefe. Ich hatte gehofft, das Schreibfieber mit Ihrem Vorgänger vom Hals zu haben. Journalisten werden fürs Schreiben bezahlt. GPR bezahlt Sie, damit Sie Standorte für Mastbetriebe finden. Wie wäre es, wenn Sie Ihre Verhandlungen zum gewünschten Ergebnis brächten, so daß wir den Geldboten schicken können?
     
    Nach diesen Retourkutschen war Bob nicht mehr danach zumute, das Grab von Jim Skins Vater zu besuchen, doch dieser Entschluß erforderte eine Tasse Kaffee und einen Doughnut, was ihn zwangsläufig in das Old Dog führte, wo er Jim Skin sitzen sah, eine Schachtel Scheinwerfer vor sich auf dem Tisch. Da ein Rückzug ausgeschlossen war, kaufte Bob eine Tüte praller Doughnuts und zwei Becher Kaffee zum Mitnehmen.
    »Besser, wir nehmen Ihren Wagen«, sagte Jim Skin. »Meine alte Kiste fährt nur noch mit Hilfe Jesu, weil die Reifen nix mehr taugen. Und das Gasbenzin knattert wie der Teufel. Haff! «
    Sie fuhren nach Norden, und Jim Skin unterhielt Bob mit seiner Lebensgeschichte und mit den Abenteuern seines Vaters.
    »… und einmal hat er eine Regenschirmhülle als Kondom benutzt. Bob, wissen Sie, warum ich Sie mag?«
    »Nein.« Er konnte sich nicht vorstellen, warum ihn irgend jemand mögen sollte.
    »Weil Sie – weil Sie – ich mag Sie, weil Sie so lässig sind. Sie lassen einfach alles auf sich zukommen. Zuerst dachte ich mir, Sie wären auf irgendwelchen Drogen.«
    »Nein, bin ich nicht«, sagte Bob, der sich fragte, ob Jim Skin vielleicht selbst auf Drogen war. Er wirkte überdreht und ein bißchen verrückt.
    »Der Alte konnte auch ziemlich gut mit dem Lasso umgehen, wissen Sie. In den Fünfzigern haben mal drei Burschen die Bank überfallen. Mein Deddy ritt immer noch auf dem Pferd in die Stadt, hatte bis dahin noch nie ein Fahrzeug besessen, nicht mal einen Traktor. Er reitet also die Straße entlang, ohne sich was zu denken, als die drei Brüder aus der Bank gerannt kommen, Säcke mit Geld unter den Armen. Mein Deddy hinterher, ohne eine Sekunde lang nachzudenken, zielt mit seinem ollen Lasso und erwischt zwei von ihnen auf einen Streich. Der dritte konnte abhauen. Bevor der Sheriff kam – nicht der, den wir jetzt haben, sondern sein fieser alter Deddy, der in Huntsville für die Todeskandidaten gekocht hat –, nahm sich mein Deddy einen von den Säcken, versteckte ihn unter seinem Hemd und sagte zu dem Sheriff, der dritte Räuber wäre mit dem Geld getürmt. Als erstes hat er sich ein schickes Auto gekauft, einen großen weißen Studebaker. Das war natürlich die Art Wagen, die sich kein Cowboy mit dem Geld aus seinem Sparstrumpf anschaffen konnte, und dem Sheriff war das auch klar. Mein Deddy hatte den Wagen keine zwei Wochen gehabt, als der Sheriff ihn beschlagnahmen ließ. Mit breitem Grinsen hat er ihn einkassiert, einen Stern auf die Tür malen lassen, und mein Deddy stieg wieder auf sein Pferd. Mit dem Rest von dem Geld hat er seine Ranch gekauft. Die war in Oklahoma, dort konnte der fiese miese alte Sheriff ihm nichts anhaben. Mir hat er einenkleinen roten Hund gekauft. Old Woody. Nach Woody Guthrie. Er ist schon lange tot. Ein bewaffneter Fahrradfahrer hat ihn totgeschossen.«
    Während sie nach Norden fuhren, sagte Bob, wie auffallend verschieden die benachbarten Panhandle-Gebiete doch seien.
    »Wieso? Andere Leute, andere Gesetze. Oklahoma ist in gewisser Weise südlicher, Texas westlicher, wenn man so will. In Texas wohnen die Schlauen, die Schlauberger, die auf ihre Chance warten. Von den Leuten in Oklahoma wird behauptet, sie wären kleinlich und würden keine Kritik vertragen, aber ich finde, die meisten Leute in Oklahoma sind ganz in Ordnung, sie glauben nur, daß Oklahoma immer die Arschkarte zieht. Haff! Als dieser McVeigh das Bundesgebäude in Oklahoma City in die Luft gejagt hat, haben wir alle nur genickt und gesagt: ›Klar, war nicht anders zu erwarten. Armes altes Oklahoma.‹ Und dieses Musical konnten die Leute natürlich auch nicht leiden, bis es verfilmt wurde. Oklahoma . Als Film hat es ihnen dann gefallen.«
    »Wovon leben Sie, Jim?«
    »Ach, dies und das, aber hauptsächlich bin ich Musiker. Ich spiele Gitarre und schreibe Songs. Wenn die Countrymusic von heute auf morgen weg wäre, würde ich mich umbringen. Bin

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