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Mitten in Amerika

Mitten in Amerika

Titel: Mitten in Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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erkläre ich Ihnen lieber morgen, wenn ich komme.«
    »Verstehe.« Der alte Mann klang plötzlich verschlagen.
     
    Bob Dollar aß zwei Teller von Cys Maissuppe mit Chili und tunkte gebutterte Brotstücke hinein. Er fuhr zur Busted Star Ranch zurück und hielt beim Haus an, um Wasser mitzunehmen. LaVon saß am Küchentisch und nagte an einem Teller aufgetauter und aufgewärmter Hühnerflügel.
    »Ich hätte Ihnen etwas von Cys Suppe mitbringen sollen«, sagte er.
    »Und was ist das für Suppe? Nudelsuppe aus der Dose mit Selleriebrocken drin?« sagte sie hämisch.
    »Nein. So was macht er nicht. Mais und Chili mit Zwiebeln und Cilantro und Sahne und jeder Menge selbstgebackenem Brot. Es war sehr gut. Er ist ein toller Koch.«
    »Na ja, klingt nicht schlecht. Ich bin mir trotzdem nichtsicher, ob ich reingehen würde. Es wird behauptet, daß ihm der Schweiß von der Nase in alles reintropft, was er gerade kocht. Darauf kann ich verzichten.« Sie ließ den verschrumpelten Hühnerflügel auf den Teller fallen. »Zu schwül heute abend zum Essen. Dabei fällt mir ein, daß ein Bursche hier war und nach Ihnen gefragt hat. Ich habe ihm gesagt, daß Sie bis Einbruch der Dunkelheit vermutlich wieder da sind. Er hat gesagt, daß er wiederkommt, heute oder morgen. Fährt einen Luxusschlitten. Einen von diesen Portsches. «
    »Wer war das?« Bob konnte sich nicht vorstellen, wer ihn aufsuchen sollte außer dem Sheriff, aber der würde kaum im Porsche kommen, und LaVon kannte ihn mit Sicherheit.
    »Er hat nicht gesagt, wie er heißt.«
    »Wie sah er aus?« Vielleicht war es Orlando. Erwartungsvolle Neugier flackerte in Bob auf.
    »Großer Muskelprotz mit lauter Ringen und Tätowierungen. Gelbe Haare. Sieht gefährlich aus.«
    Muskelprotz klang nicht nach Orlando. »Dick? War er dick?«
    »Kein Gramm Fett am Körper. Sah aus wie Charles Atlas.« »Wer ist Charles Atlas?«
    »Ach, schon gut. Der Bursche sah aus wie ein Ringer aus dem Fernsehen, und er hat gesagt, daß er heute abend oder morgen vormittag wiederkommt.«
    »Wie schade. Morgen vormittag bin ich nicht da. Ich gehe Mr. Crouch besuchen.«
    LaVon erhob sich halb von ihrem Stuhl. »Erzählen Sie mir bloß nicht, daß Tater die Bar Owl verkaufen will!«
    »Wir unterhalten uns nur. Wenn der Bursche wiederkommt, sagen Sie ihm, er soll mir eine Notiz hinterlassen.«
    Der Fremde kam an diesem Abend nicht wieder, und am nächsten Morgen machte Bob sich auf den Weg zu Tater Crouchs Bar Owl Ranch.
    Bronzefarbenes Polaroidlicht färbte das Weideland, als wäre in die Augenhöhle der Sonne eine große Linse gesteckt worden. Wuchtige Wolken flammten rot. Es war erstickend heiß, kein Lufthauch regte sich. Als Bob über die klappernden Planken der Ranchbrücke fuhr, roch er den Gestank der Schweinefarm an der Coppedge Road, eine Meile entfernt, doch so heftig, daß ihm Tränen in die Augen traten. In gewisser Weise beruhigte es ihn, denn die Bar Owl Ranch war bereits ruiniert; fünfzigtausend Mastschweine mehr konnten nicht mehr viel ausmachen. Tater Crouch wäre in der Stadt besser dran, mit ihren Annehmlichkeiten wie Viehauktionen, dem Dixie-Viehfutterladen und selbstverständlich dem Old Dog, das er mit seinen Kumpanen aufsuchen konnte.
    Folglich klopfte Bob in dem angenehmen Gefühl an die Tür, das abgeschlossene Geschäft so gut wie in der Tasche zu haben und obendrein eine gute Tat zu tun; er würde Tater erklären, daß der Gestank des benachbarten Mastbetriebs ihm gar keine andere Wahl ließ, und ihm danach die Freuden schildern, die Woolybucket zu bieten hatte, wenn auch in begrenzter Zahl.
    Die Haushälterin öffnete ihm; sie riß die Tür so heftig auf, daß Bobs Hemdfront mitgesogen wurde. Sie funkelte ihn böse an, und er trat einen Schritt zurück und blieb mit dem Absatz an einem Nagel hängen, der aus einem Brett auf dem Boden ragte.
    »Er ist da drin«, sagte sie giftig und deutete mit dem Ellbogen zu dem häßlichen Wohnzimmer. Sobald Bob durch die Tür gestolpert war, knallte sie sie zu und rauschte in die Küche.
    Tater Crouch wendete seinen Rollstuhl bedächtig und lächelte Bob zu. Ein verstaubtes Gewirr aus ledernen Zügeln und Schnallen war über Tische und Stühle ausgebreitet, über den Boden und in den Flur hinter dem Raum. Das alte Leder war steif und unnachgiebig und verworren wie die Schlangen einer Laokoongruppe.
    »Tja, Mr. Nickel, das wird Sie freuen. Ich habe Louise dazu gebracht, in der Scheune auf den Speicher zu steigen und das Geschirr für zehn

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