Mitten in Amerika
Wagen schaukelte an ihm vorbei und bespritzte den Saturn mit aufgewirbeltem Staub und Kies. Bob erhaschte nur einen kurzen Blick auf die Fahrerin, eine verärgerte Blondine mit einer großen dunklen Sonnenbrille, so klein, daß sie kaum über das Lenkrad blicken konnte, und ihre Lippen schienen Schimpfworte zu formen. Bob konnte sich keinen Reim darauf machen, schaute in den Rückspiegel und sah ein Schild, das er rückwärts nicht entziffern konnte. Er hielt an, ließ das Fenster herunter und streckte den Kopf hinaus: E INFAHRT . Erst jetzt fiel ihm ein, daß er und LaVon die Ranch auf einem anderen Weg verlassen hatten.
Vor LaVons Haus sah Bob einen silberfarbenen Porsche mit Colorado-Nummernschildern stehen. Sobald LaVon den Saturn hörte, kam sie aus der Tür auf die Veranda und machte Bob ein Zeichen, daß er das Fenster herunterlassen solle.
»Der Mann ist wieder da. Er ist drüben in der Baracke.« Bob winkte ihr zu und fuhr weiter.
Auf der Veranda der Baracke konnte er eine ungeschlachte Gestalt erkennen, einen riesenhaften Mann, der so breite Schultern hatte, daß er nur seitwärts durch die Tür gepaßt hätte. Bob parkte, stieg aus und sah den Koloß auf der Veranda an. Etwas an ihm wirkte vertraut.
»Bob!« Eine Baßstimme stieg aus dem säulengleichen Hals. Das Wesen streckte eine monströse Hand aus. Es hatte Muskeln wie Beulen und trug ein kurzärmeliges schwarzes Rayonhemd, bemalt mit einer Barszene – eine kurvenreiche Blondine schlürfte auf einem grünen Barhocker einen Martini. Die Ärmel waren fast zu eng für die mächtigen Bizepse.
»Orlando? Orlando! Ich hätte dich nie im Leben wiedererkannt –« Sie schlugen einander auf die Schulter und lachten.
»Gewichtheben. Das Gefängnis ist ideal, wenn man sich bewegen will, Gymnastik, Training, Kohlenschaufeln. In dem Scheißknast sieht es aus, als gäbe es dort nur Anwärter auf den Mr.-America-Titel. Und seit ich draußen bin, bin ich auf Hormonen. He, ich bin auf dem Weg nach Austin. Habe dort einen Partner, aber zuerst wollte ich dich besuchen. Deine Adresse habe ich von deinem Onkel. Der ist mächtig alt geworden.«
»Der Porsche, ist das deiner?«
»Da kannst du Gift drauf nehmen. Ich hab noch einen zweiten, der ist rot. Vor dir steht ein reicher Schweinehund, Bob.«
»Und wie kommt das? Und wann bist du rausgekommen? Ich meine, äh, ich komme nicht ganz mit. «
»Im Knast habe ich über meinen Alten auf dem Aktienmarkt rumgespielt. Neue Technologie, wir haben alles abgestoßen, als die Aktien Höchststand hatten, kurz vor dem Einbruch. Glückgehabt. Und im Knast haben ein paar von uns sich albernen Quatsch ausgedacht, und dann haben wir diese bescheuerte CD aufgenommen, die wir über meinen Dad im Internet verscheuert haben. Ging ab wie die Post. Jeder Knastbruder hat sie gekauft.«
»Singt ihr da drauf Knastlieder? «
Der Koloß röhrte. »Nein! Das Ding heißt Live Fart Rock Hits from Prison , und das ist es. Im Knast erfährt man überraschende Dinge über den eigenen Körper, und ein paar von uns haben gemerkt, daß sie in verschiedenen Tonhöhen furzen. Einer war sogar ein richtiger Star. Der konnte einfach alles – vom Baß bis zur Soprankoloratur, Pfiffe, Vibrato, Tremolo. Der Louis Armstrong des Arschlochs. Und danach war es einfach. Ich nahm die einzelnen Furzer auf – mit so einem kleinen digitalen Gerät, das wie eine Armbanduhr aussieht –, und draußen habe ich sie dann zusammengeschnitten. Die Leute sind ganz wild auf das Zeug. Wir haben Jailhouse Rock und Freebird aufgenommen und acht Minuten lang Stairway to Heaven , das ist wirklich die Härte, reines Dynamit. Viel Studioarbeit, aber es hat sich gelohnt. Du darfst dir das nicht so vorstellen, als hätten wir im Gefangenenchor vor uns hin gefurzt – die Technologie macht’s möglich. Danach hatte ich noch ein paar Hits, nicht mit Furzen, aber mit der gleichen Methode.«
Bob wollte gar nicht genauer wissen, welcher Natur die späteren Erfolge waren. Er konnte sich vorstellen, wie Grunz- und Schmatz- und feuchte Klatschlaute zu Melodien zusammengestellt klangen und welches Entzücken solche Darbietungen unter Knastbrüdern auslösten.
»Und was ist mit der Computerszene? Ich dachte, das wäre dein Ziel gewesen.«
»Ach, Scheiße auch, hat mir keinen Spaß mehr gemacht. Die guten Zeiten waren die Siebziger mit Cap’n Crunch und den Phone Phreaks. Heute ist das alles anders. Seit dem Einbruchmacht es keinen Spaß mehr. Ich habe mich jetzt auf den CD- Markt
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