Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mitten in Amerika

Mitten in Amerika

Titel: Mitten in Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
Vom Netzwerk:
Dinosaurierlosung, wunderte er sich über die augenscheinliche Ahnungslosigkeit des Krämers, daß Santa Fe Jahrhunderte gebraucht hatte, bis es mehr war als ein Handelsplatz für mexikanische Felle und indianische Silberarbeiten. Hin und wieder war er mit Onkel Tam und Bromo Redpoll zur jährlichen Versammlung der Art Plastic Society nach Santa Fe gefahren, und während die beiden sich an brüchigen Polymeren begeisterten, hatte er mit einem der kostenlosen Stadtführer des Hotels den Ort durchstreift. Und so kam es, daß er, versunken in Gedanken an den Santa-Fe-Trail, der von Independence in Missouri nach Council Grove in Kansas führte und nach Pawnee Rock, wo der Weg sich teilte, in den »feuchten« Trail, der am Cimarron-Fluß entlang verlief, und den ungefährlicheren »trockenen« Trail, der von Bent’s Fort in westlicher Richtung zum Raton-Paß über die Sangre-deCristo-Kette und nach Santa Fe verlief, und daran, daß er diesen gespenstischen Weg bald queren würde, eine falsche Abzweigung nahm.
    Zuerst fiel es ihm nicht auf, weil ein Erdkuckuck vor ihm auf die Straße lief. Die Straße war asphaltiert, verengte sich jedoch bald, und nach fünfzehn Meilen führte sie bergab zu einer Furt ohne Brücke und dann wieder bergauf und um eine enge Kurve auf ebenes Gelände, wo sie sich in drei ausgetretene Feldwege ohne Beschilderung verzweigte. Von den Mesas war nichts mehr zu sehen, die Felsgebilde waren verschwunden.Er suchte nach seiner Landkarte, doch die, ein Tankstellenbilligprodukt mit der Aufschrift Central and Western States , führte Teemu nicht auf. Er nahm an, daß er parallel zur Grenze des Bundesstaats fahren würde, wenn er nach rechts abbog – nach Osten, wie er vermutete –, und irgendwann auf eine vernünftige Straße treffen mußte, die ihn wieder nach Süden brachte.
    So manövrierte er sich auf eine Reihe staubige und dunggesprenkelte Feldwege – ein vorsintflutlicher Straßenparcours durch unbewohntes Weideland. Keine Städte, keine Tankstellen, keine Häuser, keine Gehege, kein Verkehr. Er war der einzige Mensch auf einem endlosen Weg ohne Abzweigungen und ohne Kreuzungen. Der feine Staub drang in das Wageninnere und schnürte ihm die Kehle zu, und er wünschte, er hätte dem redseligen Mann literweise Wasser abgekauft. Für einen Märztag war es schwül, sogar in Oklahoma; fette Wolken drängten sich am Himmel. Nach einer Stunde trockenen Schluckens erreichte er ein wettergegerbtes Schild, das erste, das ihm vor Augen kam. Es besagte C OMANCHE N ATIONAL G RASSLAND . Er sah auf seine Karte. Sie zeigte ein grünes Quadrat mit der gleichen Bezeichnung. Er war nach Colorado zurückgefahren und bewegte sich in nördliche Richtung.
    Er hätte es nicht ertragen, den Weg zu der Boomtown in spe zurückzuverfolgen, und deshalb fuhr er verbissen weiter, in der Hoffnung, früher oder später auf Kreuzungen zu treffen, wo er nach Osten und nach Süden und damit nach Oklahoma und Texas gelangen konnte. Acht Meilen später traf er auf eine unausgeschilderte Abzweigung rechter Hand, die zweifellos nach Osten führte und im Süden die Aussicht auf eine dichte blauschwarze Wolkenwand gewährte, von Blitzen durchzuckt.
    Mit einem heftigen Ruck mündete der staubige Weg auf Asphalt; in der Ferne sah er Laster einen belebten Highway entlangrasen. Er hatte den Weg gefunden, aber einen Tag verloren.Im Nordwesten drang ein schmaler Streifen Sonnenlicht durch einen Spalt in den Wolken, von einer Schwere, als kündete seine satte Farbe vom Gewicht echten Goldes.
    Eine Stunde später war er wieder in Oklahoma, wenige Meilen von Boise City entfernt und auf der Suche nach einer Unterkunft. Er fand ein Bed & Breakfast namens The Badger Hole, in dessen Vorgarten ein riesiger Dachs aus Fiberglas mit Weihnachtsbeleuchtung um den Hals stand. Auf dem winzigen Parkplatz sah er einen ungewaschenen weißen Lieferwagen mit Arizona-Kennzeichen. In den Staub auf der hinteren Tür hatte jemand mit dem Finger geschrieben: MISt, SChOn WIEdEr UntErWEgS. Es klang nicht wie die Empfindung eines entflohenen Sträflings, und er nahm ein Zimmer.
    Eine füllige Frau, jung, aber fleischig, mit gelbem Kraushaar und einem schönen Gesicht, führte ihn nach oben. Wenn sie sprach, wanderte ein Mundwinkel empor, als hätte sie eine Zigarre im Mund. Das Zimmer war heiß und stickig, Wände in Vergißmeinnichtblau. Das Einzelbett war sauber und weiß, das Badezimmer offenbar aus einer engen Kammer entstanden. Es gab keine Klimaanlage, doch auf

Weitere Kostenlose Bücher