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Mitten in Amerika

Mitten in Amerika

Titel: Mitten in Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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meiner Generation geht es darum, aus dem, was wir sind und was uns gegeben ist, das Beste zu machen.«
    »Ich weiß, ich weiß«, sagte Bob und machte sich auf eine Lektion in Sachen Verantwortung gefaßt. Aber sie erfolgte nicht. Um das peinliche Schweigen zu überbrücken, begann er die Brosche zu beschreiben, die Freda Beautyrooms bei dem Quiltkränzchen getragen hatte, und zeichnete sie auf einen Briefumschlag. Onkel Tam schlug sich mit dem Handballen vor die Stirn und seufzte: »Warum nicht hier? Warum in Texas?«

29. Ribeye Clukes Büro
    B ob schlief in seinem alten Bett, und morgens ging er zur Bäckerei und kaufte Brioches und Blätterteiggebäck und Marmeladenkrapfen und beide Zeitungen. Falls er nach Denver zurückziehen sollte, würde er sich eine Wohnung in der Nähe einer Bäckerei suchen. Er und Onkel Tam tunkten gemütlich ihr Gebäck in den Kaffee und lasen einander einzelne Meldungen vor.
    »Die Brosche, die du mir gestern abend beschrieben hast, könnte aus Frankreich sein – auf jeden Fall aus Europa. Die Franzosen haben das künstlerische Plastik ernst genommen und haben sehr schönen Schmuck gemacht. Ich vermute, daß es sich um französisches Art déco aus den zwanziger Jahren handelt – nach der Behandlung des Zelluloids und den Rheinkieselzacken zu schließen. Versuch doch, es für mich zu erstehen.«
    »Ich werde es versuchen«, sagte Bob. »Aber sie ist reich und eigensinnig und arrogant. Bei dem Quilttreffen hatten noch einige andere Damen hübsche Sachen an«, und er versuchte das Halsband mit den Anhängern aufzuzeichnen, das er an Rella Nooncasters Hals gesehen hatte, und erklärte: »Diese Steine sind nilgrün, diese sind schwarz.«
    »Ojojoj «, sagte Onkel Tam. »Ach, wie schade, daß ich ihr kein Angebot machen kann. Versuch es an meiner Stelle.« »Ich werde es versuchen«, sagte Bob.
    »Ich habe auch ein paar Stücke gefunden, während du weg warst«, sagte sein Onkel. »Ein Paar Beth-Levine-Acrylschuhe. Und ich habe ein Auge auf eine verrückte Besteckgarnitur aus den dreißiger Jahren geworfen, gelb mit roten Tupfen. Das Problemist nur, daß der Besitzer vierhundert Dollar dafür haben will. Wenn ich in der Lotterie gewinne –«
    »Du könntest es mit dem Geld aus der Bibel bezahlen.«
    »Ja, ja, könnte ich, aber – vielleicht brauche ich das für einen anderen Zweck.« Er schwieg für einen Augenblick und sagte dann schnell: »Ich könnte tatsächlich nach New York fahren und schauen, wie es Wayne geht. Was hältst du davon, wenn wir heute nachmittag ins Mayan gehen und uns einen Film ansehen?«
    Am Montag morgen genoß Bob ausgiebig die heiße Dusche, obwohl er sich danach sehnte, auf der Veranda der Arbeiterbaracke seinen Morgenkaffee zu trinken. Er zog seinen guten grauen Anzug aus dem Wandschrank an und knotete die Krawatte, die seine Mutter mit der sinkenden Titanic bemalt hatte. In der Küche öffnete er das Fenster hinter dem Tisch auf einen köstlichen Sommermorgen, Rotkehlchen, die unaufhörlich ihr »Zikzik! Zikzik!« riefen. Onkel Tam kam in die Küche und sagte in affektiertem Bühnenirisch: »Oinen wonderschönen goten Morgen.« Um halb acht stieg Bob in den Saturn und fuhr zur Denver-Filiale von Global Pork Rind. Er hätte den Bus nehmen können, doch er hielt es für möglich, daß Mr. Cluke die Wagenschlüssel verlangen würde.
     
    Mr. Ragsdale aus dem Hauptquartier in Tokio war ein ungewöhnlich gutaussehender Mensch. Obwohl er in den Fünfzigern war, verkündeten sein gemeißeltes Kinn und seine ebenmäßigen Züge, seine breiten Schultern und sein athletischer Körper, seine gewandten Bewegungen, seine tiefe Bräune und seine manikürten Hände im Verein mit dem Armani-Anzug: Hier seht ihr einen Menschen, dem die guten Dinge nur so zufliegen , doch Bob dachte sich: Wie kommt es dann, daß du für eine Schweinefirma arbeitest? Laut sagte er: »Guten Tag, Sir.«
    »Setzen Sie sich, Bob«, sagte Ribeye Cluke und deutete aufden metalliclimonengrünen Aluminiumstuhl auf der anderen Seite seines Schreibtischs. Mr. Ragsdale saß neben dem Schreibtisch in einem Ledersessel, dem gleichen Modell wie Ribeyes Schreibtischsessel. Bob dachte sich, daß Global Pork Rind diese Sessel möglicherweise en gros für seine leitenden Angestellten kaufte.
    »So, junger Mann«, sagte Ribeye. »Ich frage mich, ob Ihnen eigentlich klar ist, wie knapp Sie vor Ihrer Entlassung stehen?«
    »Ja, Sir, diesen Eindruck habe ich auch«, sagte Bob. »Aber inzwischen stehe ich in einigen

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