Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mitten in Amerika

Mitten in Amerika

Titel: Mitten in Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
Vom Netzwerk:
Schlimmste ersparen wollte, und dann ist er zu dem Brokerbüro gegangen, Handfull & Palp an der Lincoln Avenue. Er hat fünf Leute erschossen, Brokerinklusive. Dann ist er nach Hause gegangen und hat sich die Kugel gegeben. In seinem Brief steht, Handfull & Palp hätten ›mit ihrer gnadenlosen Geldgier mein Leben zerstört‹.«
    »O Gott, wie grauenhaft.« Bob goß sich Milch in den Kaffee und fügte ein wenig Honig aus dem Bärenglas hinzu. »Und was hast du in letzter Zeit von Bromo gehört?«
    Onkel Tam sah ihn wortlos an, bis Bob unbehaglich zumute wurde.
    »Weißt du eigentlich, daß du dich noch nie vorher nach ihm erkundigt hast?«
    »Ach, Quatsch!«
    »Doch, so ist es. Du hast dich nie mit ihm verstanden. Er hielt dich immer für ein schlaues Bürschchen, aber das war kein Kompliment. Die Sache mit den Kreuzworträtseln, die hat ihm zu schaffen gemacht. Diese Konkurrenz wegen irgendwelcher Begriffe – Ibex, Aorta, Ares oder Oona. «
    »Die haben immer einem festen Muster entsprochen. Das Muster mußte man rauskriegen. Bromo dachte immer, es ginge nur um einzelne Wörter, und das hat ihn wütend gemacht. Na ja. Ich habe mich nie nach ihm erkundigt – na ja, du weißt schon.«
    »Nein, Bob, das weiß ich nicht. Was meinst du damit?«
    »Ach, nichts. Nur – du hast schon recht, wir haben uns nie verstanden. Er – ich hatte immer das Gefühl, daß er mich nicht leiden kann. Ein bißchen wie Eifersucht.«
    Langes Schweigen trat ein.
    »Das sind ja ganz neue Töne. Aber es freut mich, daß du nach ihm fragst. Wayne geht es in New York sehr gut. Er hat sich in den letzten Jahren in Design und in Möbelgeschichte ausgebildet. Vormittags arbeitet er in einem hochkarätigen Antiquitätenladen im World Trade Center in einem der unteren Stockwerke. Er sagt, daß es ein wunderschönes Geschäft ist. Den Namen habe ich vergessen. Er hat mich eingeladen, ihn dort im Herbst mal zu besuchen. Und Thanksgiving oderWeihnachten würde er gerne herkommen, für ein paar Tage. Er hat ein Buch für dich geschickt – falls ich es finde, ich weiß nicht, wo ich es hingelegt habe. Vielleicht ist es unten im Büro.«
    »Wie läuft der Laden?«
    »Na ja, bescheiden. Die Lage ist wirklich nicht sehr gut. Ich habe mir ernsthaft überlegt, alles bis auf das künstlerische Plastik abzustoßen. Woanders einen Neuanfang zu machen.«
    »Ich wollte, das könnte ich auch«, sagte Bob. »Diese Schweinemastgeschichte ist mir richtig zuwider. Ein kleiner Buchladen, das würde sicher Spaß machen.«
    »Damit habe ich angefangen«, sagte sein Onkel. »Der übrige Ramsch kam nach und nach dazu. Die meisten Bücher habe ich noch in Kartons im Lager stehen. Na ja, reden wir über was anderes«, murmelte er. »Ich muß dir was zeigen.«
    Er verließ die Küche und stieg die Treppe hinunter in den Laden. Bob schenkte Kaffee in die vertrauten alten Becher nach. Als sein Onkel mit einer Bibel zurückkam, verspürte Bob gelindes Entsetzen. Offenbar hatte die vegetarische Ernährung in Onkel Tam einen inaktiven religiösen Vulkan zum Ausbruch gebracht, und die Lava würde jeden Augenblick zu fließen beginnen.
    Doch Onkel Tam reichte ihm die Bibel und forderte ihn auf, in der Kartentasche nachzusehen, die innen an dem hinteren Buchdeckel klebte. Bob zog die gefaltete Karte aus ihrem Kuvert und erblickte hinter ihr ein Bündel Hundertdollarnoten. Er zählte sie. Zwölf Geldscheine.
    »Was ist das denn?« sagte er.
    »Schau auf die Rückseite der Banknoten«, sagte Onkel Tam, »dann siehst du es.«
    Der dritte Geldschein war auf einer Seite mit roter Tinte beschriftet, in einer schlecht leserlichen Schrift, aber Bob konnte das meiste entziffern. Es war ein Letzter Wille.
     
    Ich habe verdamp hart gearbeitet um das zu sparn aber keine Kinner oder sonzige Erben und dessalb gehört es dem der in Besiz dieser heiligen Bibel kompt, Gott segne dich meinen lehgitimen Erben.
     
    Unterzeichnet war das Testament mit Floyd Lollar, Colorado Spgs., 30. September 1956 .
    »Tja«, sagte Onkel Tam. »Und da habe ich über meine Situation hier nachgedacht. Ich bin so gut wie entschlossen, den Laden zu verkaufen und mir einen neuen Standort zu suchen.«
    »Wahnsinn! Das ist ein großer Schritt. Vielleicht nach New York? Mal Urlaub machen oder irgendwas, was dir Spaß macht?«
    »Nein. New York ist nichts für mich. Und manchmal geht es nicht darum, ob man etwas tut, was einem Spaß macht. Ich weiß, daß das für deine Generation wichtig ist, aber für die meisten aus

Weitere Kostenlose Bücher