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Mitten in Amerika

Mitten in Amerika

Titel: Mitten in Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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Jahrzehnt zuvor von den Büffeljägern zum Spannen der Felle benutzt worden waren. Der Boden barg Tausende von Büffelgebeinen.
    Merkwürdigerweise verabscheute Harshberger die schattenlose Prärie mit ihrem Gras und silbrigen wilden Beifuß. Er heuerte Männer an, die Hunderte von Eschenahorn- und Kastanieneichenschößlingen und fünfhundert junge Goldkiefern ausgruben und ihm schickten; die Bäumchen wurden von den Wagenführern auf der holperigen Reise so ungnädig gewässert, wie Kapitän Blights Brotfruchtbäume von mürrischen Seemännern auf der Bounty versorgt worden sein mochten. Auch als die Bäume um sein neues Haus herum gepflanzt waren, ließ seine Aufmerksamkeit nicht nach. Nach einem Monat Murren und Schmollen seiner meuternden Rancharbeiter, die sich als reine Cowboys betrachteten und jede Arbeit, die erforderte, daß man vom Pferd abstieg und etwas in die Hand nahm und trug – beispielsweise Wassereimer –, unzumutbar und erniedrigend fanden, stellte er den ausgewachsenen, aber geistig zurückgebliebenen Sohn eines Nachbarn an, dem der Ehrenkodex der Cowboys unbekannt war und der jeden Tag in die Bewässerungsrinne um jeden der Bäume Wasser goß. Harshberger untersagte den Cowboys, die Schößlinge als Pferde- oder Pißpfosten zu benutzen. Doch die Sandstürme waren zu rauh für die jungen Bäume, und bevor er an der Wetterseite einen Lattenzaun als Windschutz errichten ließ, war die Hälfte der Schößlinge eingegangen. Im Lauf der Zeit wurzelten die überlebenden Bäume sich ein und wuchsen, wenn auch sichtlich schief, zu einem schattenspendenden Baldachin für das Haus heran.
    »Er hat die ganze Ranch eigenhändig mit nur zwei Helfern eingezäunt, und von diesem Zaun steht heute noch der größte Teil.« Sie sagte nicht, daß sich durch das Einzäunen des Landes ein bestimmtes Gleichgewicht verändert hatte. Von da an war Harshberger der Ansicht, daß das Land ihm zu dienen hatte und ihm den Lebensunterhalt schuldig war, ihm alles schuldig war, was er herausholen konnte.
    »Harte Zeiten erwarteten ihn«, sagte LaVon. »Irgendwieist er an Vieh von jenseits der Fiebergrenze gekommen, und sobald er es in seiner Herde hatte, war das ganze Vieh vom Texasfieber angesteckt, jede Menge kranke und sterbende Kühe. Damals gab es im Panhandle keine Zecken.«
    »Und jetzt gibt es sie?«
    »Das habe ich nicht gesagt. Jetzt gibt es kein Texasfieber mehr. Wir haben rausgekriegt, was man dagegen tun muß.« »Und was ist das?« fragte Bob.
    »Haben Sie keine Ahnung von Zecken?«
    »Ich weiß, daß die Rocky-Mountain-Zecken einen umbringen können.«
    »Na gut, und die alte Viehzecke und die Spezies, die wir Southern nennen, die können das Vieh umbringen, weil sie das Texasfieber übertragen. Hier konnten wir sie ausrotten, aber in Mexiko haben sie diese Zecken heute noch. Das Vieh im Süden war daran gewöhnt, geimpft, wenn man so will, aber die Kühe aus dem Norden, wo es für die Zecken zu kalt ist, die konnten das Fieber nicht überleben. Sie wurden sofort krank und starben, wenige Wochen nachdem sie mit den Kühen aus dem Süden in Kontakt gekommen waren, die immun waren und den Erreger verbreiteten. Der Name Theobald Smith sagt Ihnen sicher nichts, oder?«
    »Nein.«
    Sie funkelte ihn erbost an, und erst später ging ihm auf, daß er vergessen hatte zu sagen: »Nein, Ma’am. «
    »Der hat als erster bewiesen, daß die Zecken das Texasfieber übertragen. Die meisten Viehzüchter damals dachten sich, daß es an den Zecken lag, aber sicher konnten sie nicht sein, und manche glaubten, es läge am Tau oder an den Mondphasen oder am Wind, bis dieser Smith Versuche anstellte, mit denen er beweisen konnte, daß die Zecken das Fieber auslösten. Die Frage war nun, wie man die Zecken beseitigen konnte, und die Lösung war, das Vieh ins Wasser eintauchen zu lassen. Aber das war lange nach Graindeddys Zeit.
    Gut, seine Pechsträhne war also noch nicht beendet. Seine Kälber kriegten Gasbrand. Dann kam ein so trockener heißer Sommer, daß seine Brunnen versiegten, fast alles Gras verdorrte und die Kühe verendeten. Und im Winter darauf verlor er den Rest der Herde in einem Blizzard. Im Frühjahr regnete es wie aus Eimern, und die Rinderdasselfliege jagte seine Tiere in die Sümpfe, wo sie umkamen. Und zu allem Überfluß fing seine Frau zu kränkeln an und starb am Nationalfeiertag. Er hat sie in einer Flagge beerdigt. Er hatte zehn Jahre gebraucht, sich sein Leben aufzubauen, bis er sein eigenes Haus auf dem

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