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Mitten in Amerika

Mitten in Amerika

Titel: Mitten in Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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eigenen Land besaß, und innerhalb von einem Jahr wurde aus einem wohlhabenden Mann ein Bettler. Er war so abgebrannt, daß er die ganzen alten Büffelknochen ausgrub, um sie dem Knochenmehlmann in Mobeetie zu verkaufen. Aber er gab nicht auf. Als er die Knochen gesammelt hatte, biß er die Zähne zusammen und ging als Zaunbauer bei Griffith und Shannon arbeiten. Sie hatten einen Vertrag, um die XIT einzuzäunen. Und das hat natürlich alles verändert.«
    Daß Bob Dollar nicht nur keine Ahnung von Zecken hatte, sondern auch noch nie von der XIT gehört hatte, erstaunte sie. Genußvoll erzählte sie ihm, daß diese Ranch von drei Millionen Morgen im westlichen Panhandle entstand, als Texas das Gelände mehreren Geschäftsleuten aus Chicago übereignete, die im Gegenzug ein neues State Capitol in Austin errichteten, größer und großartiger als alle anderen Regierungsgebäude. Die Geschäftsleute besorgten sich in England das Geld, das sie brauchten, um ihre riesige Ranch auszustatten und einzuzäunen und um Leute einzustellen, und zu den Rancharbeitern gehörte Ab Blocker, der das XIT-Brandzeichen erfand, angeblich aus einer Augenblickseingebung heraus, indem er es mit dem Stiefelabsatz in den Staub kratzte.
    Graindeddy sammelte also Knochen und Hörner, und ein paar von seinen Cowboys halfen ihm dabei, und dann haben sie einen Wagen voll davon nach Mobeetie geschleppt. Und dorthaben sie sich als erstes vollaufen lassen. Und dann kamen sie auf dumme Gedanken. Die meisten von ihnen waren noch Teenager. Sie haben angefangen, mit Knochen nach anderen Cowboys zu werfen, die sie vorbeigehen sahen. Und einer von den anderen hat einen Knochen aufgehoben und zurückgeworfen, nicht sachte, sondern mit aller Kraft. Und so kam es zu dem großen Mobeetie Bone and Horn Fight. Die Cowboys waren von oben bis unten zerschunden, aber sie haben erst aufgehört, als der Wagen so gut wie leer war und die Knochen überall auf der Straße und auf den Gehsteigen lagen. Jedenfalls hat Graindeddy dann als Zaunbauer gearbeitet«, sagte sie. »Die XIT Ranch war mehr als zweihundert Meilen lang, von Norden nach Süden. Die Zaunbauer fuhren mit einem Wagen und mit Werkzeug raus. Der Frachtwaggon, der vom Eisenbahndepot in der Nähe von Trinidad, Colorado, den Stacheldraht brachte, setzte jede Viertelmeile vier Rollen davon ab. Das weiß ich.«
    Sie wühlte in einem Ordner und förderte ein Foto zutage, auf dem ein Maultiergespann vor einem mit Pfosten beladenen Waggon stand. Obenauf war zusammengerolltes Bettzeug festgezurrt, und auf dem Bettzeug saß Moises Harshberger. Ein blutjunger Bursche mit wagenradgroßem Hut kauerte unbeholfen auf den Pfosten. Bob Dollar fiel auf, wie groß alle Hüte auf LaVons Foto waren.
    »Ich weiß nicht, wie viele Tausende Pfosten sie gebraucht haben, aber ich weiß, daß Grainded immer gesagt hat, daß es die XIT fast zweihunderttausend Dollar gekostet hat, ihr Land einzuzäunen. Als sie mit dem Einzäunen fertig waren, haben sie es innen unterteilt.«
    Jetzt holte sie einen anderen Ordner hervor und klatschte Bob ein Foto von einem Zaunbauertrupp in die Hände. Es war ein schmales langes Bild von einem Gespann aus zehn Maultieren, die ein Gewirr aus Riemen und Zügeln verband; der Maultiertreiber ritt auf dem linken Tier, das dem Wagen amnächsten war. Den Wagen selbst bildeten mehrere Gefährte, zwei kurze Planwagen und ein unendlich langer Wagen. Bob zählte die Räder – sechzehn Stück – und begriff, daß er das Äquivalent des neunzehnten Jahrhunderts für einen Sattelschlepper vor Augen hatte.
    »Wie kam der Treiber mit den vielen Tieren zurecht? Wieviel Fracht konnten zehn Mulis ziehen?«
    »Keine Ahnung. Da müssen Sie jemanden wie Tater Crouch fragen. Sein Graindeddy war Frachtfahrer, bevor er die Bar Owl Ranch hatte. Anzunehmen, daß Tater darüber Bescheid weiß.«
    Sie holte Luft und kehrte zu der Geschichte ihres eigenen Großvaters zurück. »Und nach einem Jahr war Moises das Zaunbauen leid und hörte auf. Er wurde Cowboy bei der XIT oder, wie er sagte, aus der Bratpfanne ins Feuer. Jeden Abend wurde gespielt. Die XIT-Cowboys waren damals ein wilder Haufen. Das war, bevor Mr. A. G. Boyce das Kommando übernahm und auf der Ranch für Ordnung sorgte. Damals hatte die XIT einen üblen Ruf. Die Cowboys waren Viehdiebe, machten die Brandzeichen einfach aufs Fell, nahmen die Kälberbabys ihren Müttern weg und sagten, sie wären herrenlos, schnitten den Kälbern die Muskeln der Lider durch, damit

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