Mitten in Amerika
über ihn hinweggegangen, daß eine dicke Schicht Schlick seinen Boden bedeckte und in seiner Mitte ein mehr als drei Meter dicker Strauch Rohrkolben wuchs. Die ursprünglich für einen größeren Turm bestimmten Eckrohre standen außerhalb des Gestells, das mit Bolzen und Flanschen an ihnen befestigt war. Das ganze Windrad hing in der Luft, mit drei Füßen am Boden. Die Plattform war durchgefault und bestand nur noch aus einer einzigen verrotteten Planke, die an einem rostigen Bolzen hing. Eine andere Planke lag auf dem Boden. Grüner Schaum bedeckte die Wasseroberfläche bis auf die Stelle, wo das frische Wasser einmündete, ein unregelmäßiges, schwächliches, daumenbreites Rinnsal. Die Seitenfahne war zerlöchert, aber Bob konnte die mit einer Schablone aufgetragenen Buchstaben MelKebeeK & CrOUCh WIndmIllS entziffern. Am Silo hatte er erfahren, daß eine einzige Kuh täglich fünfundzwanzig bis fünfunddreißig Liter Wasser benötigte, Tag für Tag. Er begann zu begreifen, welche Schwierigkeiten das für die alten Viehzüge auf den Trails mit ihren Hunderten, Tausenden Stück Vieh bedeutet hatte. Einen guten Trail, dachte er, machte der Zugang zum Wasser aus.
Eines dunklen Morgens vor Sonnenaufgang hörte das alte Windrad zu pumpen auf, und die Stille weckte ihn. Als er zu LaVon in die Küche ging, um Wasser zu holen, erzählte er es ihr, und gegen Mittag tauschten ein alter Mann und sein Helfer die Pumpenstangen aus Eschenholz aus; das Gefälle war nicht lotrecht, und eine der Stangen hatte sich abgenutzt und war gebrochen. Im Hintergrund leuchteten an dunklem Zweiggewirr fuchsiarote Judasbaumblüten.
Bob, der an diesem Abend auf der Veranda las, begleitet vom beruhigenden Knarren des reparierten Windrads, das seinen gewohnten Wasserstrahl erzeugte, stellte fest, daß der Canadian River, von dem er geglaubt hatte, er verdanke seinenNamen den frankokanadischen Pelzjägern, eigentlich Cañadian hieß (und so auch auf Aberts ursprünglicher Karte verzeichnet war), abgeleitet von cañada , der alten mexikanisch-spanischen Bezeichnung für einen kleinen Canyon, insbesondere eine Klippe an einem Fluß, die als natürliche Barriere genutzt wurde, um Schafe auf ihrer Weide zu halten. Die Regierungsdruckerei hatte die Tilde aus dem Bericht des Leutnants getilgt und so versehentlich dem Fluß einen neuen Namen verliehen. Bob war entrüstet. Noch früher, das wußte er, hatten die Indianer den Fluß Gualpa genannt, von Leutnant Abert Goo-al-pah buchstabiert.
Abert hatte offenbar besonders gern die Cheyenne beobachtet und gezeichnet; seine warmherzige Persönlichkeit und sein Humor prägten die engbedruckten Seiten, wenn er das grobgemahlene mexikanische Mehl des Expeditionskorps, den Zucker, den Kaffee, die Kartons mit Nudeln und Reis schilderte, die Abwechslung in die Ernährung brachten, welche hauptsächlich aus Rindfleisch und Wild bestand, oder wenn er seine genauen Beobachtungen der Pflanzen- und Tierwelt der Prärie festhielt. Hin und wieder blickte Bob von seinem Buch auf und schaute nach Westen über das Weideland. Die sonderbare dunkle Form im Gras, die ihm am ersten Abend aufgefallen war, gab es noch immer, nach wie vor unidentifiziert, doch es war zu dunkel, als daß er es gewagt hätte, sich zwischen die Klapperschlangen auf die unwegsame Wiese zu begeben. Wie immer saß er im schwindenden Licht mit der Nase im Buch da, die Augen zusammenkneifend, um die kleine Schrift zu entziffern, bevor er sich streckte und in die Baracke ging, um sich schlafen zu legen, obwohl er überhaupt nicht müde war, sich stundenlang im Bett zu wälzen und zu wünschen, es gäbe Elektrizität, sich abermals vorzunehmen, sechs Lampen zu kaufen, ein Vorsatz, der bei Tageslicht jedesmal vergessen war.
Fast jeden Tag ging er bei LaVon vorbei, um einen Kanister Wasser zu holen. Die Arbeiterbaracke zeigte noch Zeichen pferdenaher männlicher Bewohnerschaft – Sporenkerben an den Verandastufen, dunkle Tabaksaftverfärbungen auf den Dielen und auf der Sitzbank der Veranda eine dunkelbraune Stelle. Eines Morgens sagte LaVon, die ihren Dust-Devil-Staubsauger abstellte, diese Stelle stamme wahrscheinlich von einem bekannten Vorarbeiter der vierziger Jahre, Rope Butt, der ein blutendes Magengeschwür gehabt und es mit Kaffee-Einläufen kuriert hatte.
»Wally Ooly, der Drogist, hat ihm das geraten. Rope hat alles miterlebt«, fuhr sie fort. »Er hat die ganze Veränderung des Panhandle miterlebt, von den Viehtriebtagen auf dem
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