Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mitten in Amerika

Mitten in Amerika

Titel: Mitten in Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
Vom Netzwerk:
Koffer.
    »Freundchen, so was trägt in Texas keiner. Behindert einen nur bei dem, was man vorhat. Ich nehme sie als Geschirrtuch. «
    Sie räumten ihm eine Ecke in der Erdwohnung ein, und der Große, der sagte, er heiße Klattner und komme aus Arkansas, versprach, am nächsten Morgen Martins Schrankkoffer zu holen, als er erfahren hatte, daß Kaffeebohnen darin waren.
    »Der Kaffee ist uns seit über einem Monat ausgegangen. Wollten in Woolybucket welchen besorgen, aber die haben auch keinen mehr, und bis Juni gibt es keine Lieferung. Dein Kaffee ist wirklich willkommen. Was das verdammte Woolybucket brauchen könnte, ist ein guter Laden. Der, den es jetzt dort gibt, der taugt nix. Ein halbirrer Doktor führt den, wenn er nicht gerade sternhagelvoll auf dem Sofa liegt. Der könnte nicht mal einen Elefantenarsch mit dem Banjo erwischen. Früher hatten wir einen richtigen Krämer, aber der hat seinen Laden beim Glücksspiel an den Doc verloren. Der Doc bestellt nie genug Kaffee, Mehl, Zucker, was auch immer. Den ganzen letzten Winter gab es kein Mehl und keinen Tabak. Herrgott noch mal, der Mann hat tausend Pfund Gifthahnenfuß in seiner Bruchbude gehortet, aber nicht einen Fingerhut Mehl. Wir haben ihn mit der Pferdepeitsche traktiert, aber genützt hat es nix.«
    »Heißt er zufällig Doktor Mugg? «
    »Das tut er. Kennst du ihn? «
    »Nein. Man hat mir nur gesagt, er habe einen guten Ruf als Arzt und könne alle möglichen Leiden kurieren.«
    »Wer dir das erzählt hat, weiß ich nicht, aber der Kerl hat dir die Hucke vollgelogen. Doc Mugg könnte nicht mal ’nen Kater kurieren, wenn der Säufer schon in der Ausnüchterungszelle säße. Was Doc Mugg in puncto Kur brauchen könnte, ist die Wasserkur – äußerliche Anwendung bei der eigenen Person.
    An deiner Stelle würde ich lieber ohne seine Hilfe gesund werden. Frische Luft und Whiskey und genug Arbeit, das wird dir auf die Beine helfen.«
    Der vielfarbige Bart stimmte ein. »An deiner Stelle würde ich mich keine Sekunde lang mit Doc Mugg abgeben. Den Friedhof hat er komplett gefüllt und eröffnet gerade einen zweiten. Warum nimmst du ihm nicht den Laden ab und führst ihn richtig, anständig? Damit würdest du dir sofort in der ganzen Gegend bei jedermann einen guten Namen machen.«
    Aber Martin Fronk hatte sich darauf versteift, mit dem Viehhandel reich zu werden, ob als Rancher oder als Viehtreiber, fand die Vorstellung, einen Laden zu führen, abstoßend und sagte das auch.
    »Du willst wahrscheinlich ein Viehbursche werden«, brummte der Buntbärtige, der Carol Day hieß, was Martin als eigenartig femininer Name erschien, denn er war noch nicht mit den bärtigen texanischen Marions, Fannys und Abbys vertraut, denen gedankenlose Mütter kapriziöse Namen aufgebürdet hatten und die im Gegenzug entschieden männliche Naturen entwickelten.
    »Ich glaube, ich bin zu alt, um noch einmal Bursche zu sein.«
    »Alter hat nichts zu sagen. Einige unserer kapitalsten Cowboys haben ihre siebzig Lenze auf dem Buckel. Schau dir nur unseren alten Whitey an«, und er nickte dem Hünen zu, der Peitschenschnur um Griff und Kopf einer Axt schnürte. »Er ist fast achtzig und taugt als Cowboy mehr als zehn andere. «
    »Er ist ein Cowboy ?«
    »Ja, zum Teufel auch. War auf dem Trail nach Montana – wie oft, zwanzigmal?«
    »Zweiundzwanzigmal. Das hat mir genügt. Zu kalt da oben. Schneit den ganzen Sommer. Wenn man seinen Lohn kriegt,kann man das Geld nirgends ausgeben. Bleibt einem nur, umzukehren und nach Texas zurückzukommen.«
    »Und Miles City? Und Cheyenne? Und Denver? Ich wette, daß du auf dem Rückweg oft in diesen Städten Station gemacht hast.«
    »Mir wurde das Geld zu schwer. Was soll’s, unser Martin hier will kein Cowboy und kein Ladenschwengel werden. Der hat Höheres im Sinn.«
    »Ich dachte an das Gewerbe des Viehtreibers.«
    Beide Männer brachen in schallendes Gelächter aus. Carol rollte sich vor Begeisterung auf dem Lehmboden und stöhnte: »O du mein schmucker Gartenwinkel – ›das Gewerbe des Viehtreibers‹! «
    »Du Schwachkopf«, sagte Klattner, »wenn du es als Viehtreiber zu was bringen willst, dann mußt du dich mit Kühen besser auskennen als mit deinem eigenen Schniepel. Du mußt Cowboy gewesen sein und die Märkte und die Männer kennen. Du mußt verrückte Farmer beschwatzen können und mit den Indianern fertig werden. Whitey und ich haben beim Viehtreiben schon unser blaues Wunder erlebt – Stampeden, Ärger mit Indianern, rabiate

Weitere Kostenlose Bücher