Mitten in Amerika
sie nichts sehen konnten und nicht zu ihren Mammis zurückfanden, schnitten ihnen die Zunge ab, damit sie nicht saugen konnten, verbrannten ihnen die Haut zwischen den Zehen, damit sie ihre Mütter nicht suchen konnten, weil ihnen die Füße weh taten, sie fälschten die Strichlisten und die Aufstellungen, und nicht wenige brachten es mit diesen üblen Methoden zu einer eigenen Ranch.«
»Hat Mr. Harshberger auch solche Dinge getan?«
»Er hat immer behauptet, nein, er hätte alles beim Glücksspiel gewonnen. Auf der XIT haben sie gespielt wie die Teufel. Monte war ihr Spiel. Sie setzten sich mitten auf der Straße in den Staub und spielten. Am Ende hat er unsere Ranch auf eineeinzige Karte gesetzt und verloren. Er war ganz unten. Später sagte er, es wäre gut für einen, wenn man ganz unten ankommt, weil man dann weiß, was in einem steckt. Die Tippelbrüder, die man auf den Zeitschriftenfotos sehen kann, wie sie in New Orleans neben einem Schild sitzen, auf dem steht: Danke für eine milde Gabe, und die Hand ausstrecken, die sind ganz unten angekommen, nur daß es ihnen gefallen hat und sie dort geblieben sind. Aber die haben auch rausgekriegt, was in ihnen steckt. Und die XIT? Die war mehr als fünfundzwanzig Jahre lang eine Rinderranch und hat nie einen Dollar Gewinn eingebracht. Deshalb gab es Prozesse gegen die Ranch. Warten Sie eine Sekunde, ich habe ein paar gute Bilder von meinem Grainded. «
Sie ging in das anliegende Zimmer, und er hörte, wie sie in Papieren und Ordnern blätterte. Sie kam mit einem großen festen Umschlag zurück, holte eine Handvoll Fotos heraus, reichte sie ihm. Es gab die übliche Aufnahme von einem halben Dutzend Cowboys, die mit Zinntellern auf dem Schoß mit gekreuzten Beinen auf dem Boden saßen; ein Pfeil bezeichnete einen jungen Mann mit kleinem Kopf, der ein kragenloses gestreiftes Hemd, Chaparejos und einen breitkrempigen Hut trug. Ein anderes Bild zeigte den jungen Mann mit dem linken Fuß im Steigbügel, im Begriff, ein muskulöses Pferd zu besteigen. Auf diesem Bild sah Bob, daß Harshberger auffallend lange Beine hatte.
»Was geschah dann mit Mr. Harshberger? Ich meine, Sie haben die Ranch ja jetzt, also muß er sie wiederbekommen haben.«
Sie lächelte rätselhaft und sagte: »Das war die Harshberger Ranch. Die Ranch hier ist die Fronk -Ranch. Das Zuhause der Familie meines Mannes. Die Harshberger-Ranch ist heute rein Weizen. Sie ist seit 1947 nicht mehr im Besitz der Familie. Liegt drüben in Roberts County.«
Er nahm das letzte Foto in die Hand, ohne recht zu begreifen,was er vor sich sah. Es schien der Rücken eines Mannes zu sein, zerschnitten und blutig, als hätte ihn jemand mit der neunschwänzigen Katze ausgepeitscht.
»Ist das auch Mr. Harshberger?« Er hielt ihr das Bild hin. »Ja. Das ist vielleicht ein Anblick, was? Die Narben hat er bis ins Grab gehabt.«
»Aber wie hat er sie bekommen? Hat man ihn ausgepeitscht? Mit der Pferdepeitsche?«
Sie lachte. »Ich will nicht alle meine Geschichten auf einmal aufbrauchen«, sagte sie und schob die Fotos in den Umschlag zurück.
Bob dachte, daß diese Gefahr wohl kaum bestand.
»Aber soviel will ich sagen, daß es eine Erfahrung war, die ihn dazu brachte, zu heiraten und eine Familie zu gründen. Er ging nach Tennessee zurück, um sich eine Frau zu suchen, und die Frau war Fern Lake. Wenn sie wütend war, erzählte sie, daß er sie und die anderen Mädchen in Tennessee wie Pferde abgeschätzt hatte. Aussehen war ihm egal – er wollte eine kräftige Frau mit breitem Becken und hat die Mädchen einfach mit dem Stiel einer Axt abgemessen.«
In diesem Augenblick wurde LaVon für ihn zu einer verblühten Panhandle-Scheherazade. Sie war die Plaudertasche, die ausfindig zu machen Ribeye Cluke ihm aufgetragen hatte, doch sein Kopf schmerzte von der Sturzflut der Informationen.
Jeden Abend, wenn es nicht zu heftig windete, saß Bob auf der Veranda der Arbeiterbaracke und las, bis es dunkel wurde (denn er vergaß immer wieder, eine Lampe zu kaufen), in Aberts Bericht über den Ritt von Bent’s Fort nach Südosten zum Canadian River und über das Land, das später das texanische Panhandle-Gebiet wurde.
Während er las, klapperte ein paar hundert Meter entfernt ein altes asthmatisches Windrad, und mit jeder Umdrehung der Rotorblätter ergoß sich ein Wasserstrahl in den Tank, derflüssige Puls des Ranchlebens. Der Tank befand sich schon so lange in der Erde, und so viele Staubstürme und Sandstürme waren
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