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Mitten in der Nacht

Mitten in der Nacht

Titel: Mitten in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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dabei, dass er den Atem anhielt, als sie eintrat.
    »Kalt hier drinnen.« Sie schlang die Arme um den Oberkörper, doch das Zittern hörte nicht auf. »Du solltest versuchen, die Tapete zu retten. Es ist ein hübsches Muster. Veilchen und Rosenknospen.«
    Sie war schon auf halbem Weg zur Galerietür, als sie stehen blieb und aus dem Zittern ein Schaudern wurde. Sie fühlte sich von Trauer durchdrungen. »Es ist ein trauriges Zimmer, nicht wahr? Es braucht Licht. Und Leben.«
    »Hier wohnt ein Geist. Eine Frau. Ich glaube, sie ist hier umgebracht worden.«
    »Glaubst du?« Sie wandte sich ihm wieder zu. Ihr Gesicht war ein wenig blass, die Augen größer als sonst. »Es vermittelt keine... Gewalttätigkeit. Nur Traurigkeit. Leere und Traurigkeit.«
    Ihre Stimme war schwer geworden. Ohne zu überlegen, ging er hinein, ging zu ihr. »Ist alles in Ordnung mit dir?«
    »Mir ist nur kalt.«
    Er streckte die Hände nach ihr aus, um ihr die Arme zu reiben, und bei diesem Kontakt traf es ihn wie ein kurzer Schlag.
    Mit einem halbherzigen Lachen trat sie einen Schritt zurück. »Ich glaube nicht, dass Großmama das mit Entflammen gemeint hat, cher.«
    »Es ist dieses Zimmer. Mit diesem Zimmer stimmt was nicht.«
    »Geister machen mir keine Angst. Und dir sollten sie auch keine Angst machen. Sie können dir nichts antun.« Aber sie ging zur Tür und hatte Mühe, ihre Schritte nicht zu beschleunigen.
    Sie sah sich auch die anderen Schlafzimmer an, empfand aber nirgendwo diese Trauer, diese Furcht, diese abgrundtiefe Einsamkeit, die sie aus dem ersten getrieben hatte.
    An der Tür zu Declans Schlafzimmer lächelte sie. »Nur nichts überstürzen. Aber Geschmack hast du, cher.« Sie steckte ihren Kopf ins Badezimmer, wo die Arbeiter mit den kaputten Kacheln klapperten und fluchten. »Was man von demjenigen, der dieses Badezimmer zu verantworten hat, nicht gerade behaupten kann. Bist du das, Tripadoe? Wenn deine Mutter wüsste, was du im Munde führst.«
    Sie stützte sich auf den Türknauf und schwatzte ein paar Minuten mit den Installateuren. Declan stand hinter ihr und betrachtete sie nur.
    Einfach pathetisch, rügte er sich. Diese hündische Schwärmerei, die er entwickelt hatte.
    Doch als sie ihm über ihre Schulter einen Blick zuwarf, durchzuckte es ihn bis zu den Fußsohlen.
    »Ich sollte dir den Ballsaal zeigen. Das wird einmal das Schmuckstück.«
    »Au ja, den möchte ich gerne sehen.« Doch als sie aufbrachen, deutete sie auf die Treppe. »Was ist da oben?«
    »Noch mehr leere Zimmer. Speicher und ein paar der Dienstbotenkammern.«
    »Komm, lass uns raufgehen.«
    »Da gibt's nichts Besonderes zu sehen.« Er wollte ihre Hand packen, aber sie stieg bereits nach oben.
    »Kommt man von hier auch auf den Belvedere?«, fragte sie. »Den habe ich mir oft angeschaut und mir vorgestellt, da oben zu stehen.«
    »Es ist einfacher vom – nein, nicht!«
    Sein strenger Befehl ließ ihre Hand auf dem matt gewordenen Messingknauf des Kinderzimmers erstarren. »Stimmt was nicht? Hältst du drinnen eine Frau in Ketten? Hast wohl all deine Geheimnisse da drin weggesperrt, cher?«
    »Nein, es ist nur...« Er spürte, wie die Angst in ihm hochkam und ihm in der Kehle brannte. »Mit diesem Zimmer stimmt was nicht.«
    »Mit den meisten stimmt was nicht«, erwiderte sie und öffnete die Tür.
    Er hatte Recht. Schlagartig überkam sie das Gefühl von Trauer und Verlust und Einsamkeit. Sie sah Wände und den Fußboden und Fenster, Staub und Vernachlässigung. Und glaubte, ihr bräche das Herz.
    Wie Atem wehte eisige Kälte über ihre Haut und strich wie Finger durch ihr Haar.
    »Es ist das Zentrum«, erklärte sie, obwohl sie sich keinesfalls sicher war, was sie damit meinte oder woher sie es wusste. »Kannst du das spüren? Spürst du es?«
    Er stand schwankend im Türrahmen. Im Versuch sich dagegen aufzulehnen, grub er seine Finger in den Türpfosten. Diese Angst, die sich wie Messer in seine Knochen bohrte, war übertrieben. Es war sein Haus, sagte er sich verbissen. Sein gottverdammtes Haus. Er machte einen Schritt hinein, dann einen zweiten.
    Der Raum drehte sich. Er hörte einen Schrei, sah Lenas Gesicht, die Panik, die sich darin breit machte. Er glaubte zu sehen, wie ihr Mund sich bewegte, seinen Namen formte. Dann wurde ihm schwarz vor Augen, weiße Flecken tanzten durch den Nebel.
    »Declan, komm jetzt, cher. Komm, Liebster.«
    Jemand streichelte ihm sein Haar, sein Gesicht. Er spürte Lippen, die die seinen streiften. Er versuchte die

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