Mitten in der Nacht
ziemlich klug.«
»Ich bin eigentlich gekommen, um ein wenig zu beten.«
»Und worum ging es in Ihrem Gebet?«
»Dass Sie mit mir nach Borneo durchbrennen.«
Lachend setzte Odette sich auf den Stuhl, den Declan ihr hielt. »Sie sind mir einer.«
»Ja.« Er sah Lena direkt an. »Ich werde schon noch der eine.«
Sie ließen es sich mit Mimosas und der ersten Runde vom üppigen Buffet gut gehen. Zu den Klängen der Dixieland-Band erzählte Declan von seinen Fortschritten am Haus.
»Solange das Wetter hält, werde ich mich nur mit Außenarbeiten beschäftigen. Tibald kümmert sich bereits um die Gipsarbeiten, und ich versuche einen Maler für den Außenanstrich zu finden. Das will ich nicht selbst machen. Der Mann, der mir den Salon gestrichen hat, sollte sich auch die Bibliothek ansehen, hat aber ziemlich abrupt den Raum verlassen.«
Bekümmert nippte Declan an seinem Mimosa. »Ich glaube nicht, dass er wiederkommt. Mit dem Fliesenleger ist es das Gleiche. Er hat das halbe Bad gefliest und dann das Handtuch geworfen.«
»Ich kann mich für Sie mal umhören«, bot Odette ihm an.
»Das wäre mir sehr lieb. Inzwischen glaube ich fast, dass ich mir jemanden von außerhalb der Gemeinde suchen oder selbst die Sache in Angriff nehmen muss. Langsam wird es im Herrenhaus etwas zu lebhaft.«
»Dass erwachsene Männer weglaufen, bloß weil ein paar Türen schlagen«, Lena verzog spöttisch den Mund. »Ein bisschen mehr Rückgrat könnte man wohl erwarten.«
»Inzwischen hat es sich gesteigert. Uhren schlagen, obwohl es gar keine Uhren gibt, in leeren Räumen spielt Musik. Als der Maler da war, sind die Schiebetüren in der Bibliothek ständig auf und zu gegangen. Und dann das Geschrei.«
»Was für ein Geschrei?«
»Der Fliesenleger.« Declan lächelte müde. »Berichtete, er habe jemanden durch die Schlafzimmertür gehen hören und geglaubt, ich sei es. Er habe weitergeredet und seine Fliesen gelegt und mitbekommen, dass sich etwas – seiner Vermutung nach nämlich ich – im Zimmer bewegte. Da ich auf keine seiner Fragen eine Antwort gegeben habe, sei er aufgestanden und hineingegangen. Keiner da. Wie ich seinen unzusammenhängenden Angaben entnehmen konnte, schlug die Badezimmertür hinter ihm zu, und die Holzscheite im Kamin fingen Feuer. Daraufhin habe ihm jemand eine Hand auf die Schulter gelegt, behauptet er. Als ich nach oben kam, musste ich ihn von der Decke schälen.«
»Was halten Sie davon?«, erkundigte sich Odette.
»Es gibt mehrere Erklärungen. Offenbar steigt mit den wachsenden Fortschritten am Haus auch die... nennen wir es einmal paranormale Aktivität. Sie zeigt sich unverhohlener und impulsiver. Und dies vor allem dann, wenn ich vom ursprünglichen Plan abweiche.«
Lena häufte sich Grütze auf ihre Gabel – eine kulinarische Spezialität des Südens, an die Declan seine Geschmacksnerven noch nicht gewöhnt hatte. »Was meinst du damit?«
»Die Stuckarbeiten zum Beispiel. In den Bereichen, wo sie ausgeführt werden, ist alles ziemlich ruhig. Ich restauriere sie, lasse Repliken anbringen. In Räumen jedoch, wo ich Veränderungen vornehme – Badezimmerausstattung, Fliesen – wird es richtig interessant. Offenbar gibt es für all das einen Rüffel, was sich nicht an den ursprünglichen Plan hält.«
»Das gibt einem zu denken«, meinte Odette.
»Ich habe nachgedacht. Ich glaube, es ist Josephine Manet.« Selbst hier bei fröhlicher Dixielandmusik und sprudelndem Champagner schlich sich bei ihrem Namen Angst in seine Eingeweide. »Die Herrin von Manet Hall. Man braucht sich nur die Fotos anzusehen, um zu erkennen, dass man dieser Frau am besten nicht in die Quere kam. Und jetzt komme ich und hinterlasse auf allem, was ihr gehört, meine Spuren.«
»Sind Sie entschlossen, mit ihr zu leben?«, wollte Odette wissen und beobachtete, wie sich sein Kiefer verhärtete.
»Ich bin entschlossen, im Herrenhaus zu wohnen und es auf meine Weise umzugestalten. Wenn sie unbedingt Theater machen will, ist das ihr Problem.«
Lena lehnte sich zurück. »Was meinst du, Großmama? Ist er tapfer oder stur?«
»Oh, von beidem etwas. Es ist eine gute Mischung.«
»Danke, ob es sehr tapfer ist, weiß ich nicht. Es ist jetzt mein Haus und damit basta. Aber ich finde, dass man einem Mann, der nichts weiter als seine Zeit und Arbeit investiert hat, keinen Vorwurf daraus machen kann, wenn er das Weite sucht. Was meinen Sie dazu, Miss Odette? Habe ich es mit Josephine zu tun?«
»Ich denke, Sie haben zwei
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