Mitten in der Nacht
Declan in der Hand trug. »Mein Gott, Junge, lässt du dir denn gar nichts von Boston runterschicken?«
»Offen gestanden kommt nächste Woche eine Ladung. Hauptsächlich Bücher«, erwiderte Declan, während er im Büro umherwanderte. Sein Blick schweifte über die Gesetzesbücher, die dicken Akten, die Memos. Dieser ganze Schutt eines Anwalts schien ihm sehr weit weg zu sein.
»Ein paar Stücke, die ich dort in meinem Arbeitszimmer stehen hatte, könnten ganz gut in die Bibliothek passen.«
Er nahm einen Briefbeschwerer aus Messing auf und legte ihn dann wieder ab. Steckte die Hand in die Hosentasche und klimperte mit Kleingeld.
»Sagst du mir jetzt, was mit dir los ist, oder läufst du jetzt so lange hin und her, bis ich einen Graben in meinem Teppich habe?« Dabei stieß Remy, der ohne Anzugjacke hemdsärmelig und mit gelockerter Krawatte am Schreibtisch saß, sich in seinem Sessel ab und fing an, einen hellgrünen Slinky von einer Hand in die andere sausen zu lassen. »Ich finde das aufreibend.«
»Ich habe dir doch von Dingen erzählt, die sich bei mir abspielen.«
»Ich konnte mir sogar selbst ein Bild davon machen, als ich am Samstag bei dir war. Und ich würde mich weitaus besser fühlen, wenn du mir gesagt hättest, dass die Klaviermusik, die wir gehört haben, aus irgendeinem Radio kam, das du vergessen hattest abzustellen.«
»Vermutlich werde ich für den Damensalon ein Klavier anschaffen müssen, da die Musik von dort herkam. Ich spiele ja auch gern darauf, wenn ich mich erst einmal davor setze.«
Remy brachte den Slinky in die Vertikale, so dass die farbintensive Spirale in sich selbst zusammensackte. »Dann willst du mir also sagen, dass du ein Klavier suchst?«
»Ich habe heute eine Uhr gekauft.«
»Und jetzt möchtest du damit angeben? Soll ich meinen Assistenten hereinrufen oder meine Kanzleiangestellten holen?«
»Die Uhr hat Lucian Manet gehört.«
»Willst du mich verarschen?« Der platt gedrückte Slinky wurde beiseite geworfen. »Woher weißt du das? Woher hast du sie?«
»Aus einem kleinen Laden im Quartier.« Er holte die Schachtel hervor und stellte sie auf Remys Schreibtisch. »Sieh sie dir an.«
Gehorsam hob Remy den Deckel ab. »Elegant, wenn man Lust hat, jedes Mal was auszugraben, wenn man die Uhrzeit wissen möchte. Ganz schön schwer«, fügte er hinzu, als er sie herausnahm.
»Und du... empfindest nichts dabei?«
»Etwas empfinden?«
»Sieh dir die Rückseite an, Remy.«
»Namen und Daten stimmen«, konstatierte Remy. »Das ist aber ein echter Glückstreffer, dass du darüber gestolpert bist.«
»Glück? Ich sehe das nicht so. Ich gehe in einen Laden, kaufe Lena einen Ring, dann –«
»Halt, halt, halt, bitte langsam und der Reihe nach. Einen Ring?«
»Ich habe dir doch gesagt, dass ich sie heiraten werde. Ich habe den Ring entdeckt. Es tut ja nicht weh, ihn schon mal vor der Zeit zu haben. Aber darum geht es nicht.«
»Darum geht es schon, wenn du mich fragst. Weiß sie denn, was du mit ihr vorhast?«
»Ich habe ihr meine Gefühle mitgeteilt und was ich mir wünsche. Darüber soll sie erst mal eine Weile nachdenken. Können wir wieder auf die Uhr zu sprechen kommen?«
»Et là! Du warst schon immer ein Dickschädel. Na los, erzähl weiter.«
»Ich gehe in diesen Laden und habe vor, mir eine Uhr zu kaufen, weil meine spinnt. Ich beschließe, mir eine Taschenuhr zu kaufen, obwohl ich noch nie eine benutzt habe und auch nie daran gedacht habe, eine zu benutzen. Dann sehe ich diese hier und weiß es. Weiß, dass sie ihm gehört hat, weiß, dass sie sie ihm zu seinem Geburtstag gekauft hat. Ich weiß auch, was auf der Rückseite steht, und zwar bevor ich es lese. Den genauen Wortlaut. Weil ich es in meinem Kopf gehört habe.«
»Da bin ich wirklich ratlos.« Remy pflügte mit seinen Fingern durchs Haar. »Kommt es nicht vor, dass Leute einen Gegenstand berühren und dieser bei ihnen Bilder freisetzt? Dafür gibt es doch einen Begriff, oder?«
»Man nennt es Psychometrie. Ich habe in meiner Freizeit jede Menge parapsychologische Literatur studiert«, erklärte Declan, als Remy ihn stirnrunzelnd ansah. »Aber etwas Derartiges ist mir noch nie passiert. Lena hat eine Theorie dazu. Sie meint, es habe was mit Reinkarnation zu tun.«
Remy spitzte die Lippen und legte die Uhr zurück in ihre Schachtel. »Darauf würde ich sogar eher setzen als auf diese Psycho noch was.«
»Wenn dem so wäre, dann lösen das Haus und jetzt diese Uhr Erinnerungen der Vergangenheit
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