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Mitten in der Stadt - Borrmann, M: Mitten in der Stadt

Mitten in der Stadt - Borrmann, M: Mitten in der Stadt

Titel: Mitten in der Stadt - Borrmann, M: Mitten in der Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechtild Borrmann
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verschwinde.“
    Mühsam wankt sie ins Bad. Er öffnet die Haustür. Sie nimmt wahr, dass es die Polizei ist, hört „Weber … Anzeige wegen Körperverletzung …“, betet, sie mögen ihn mitnehmen.
    Sie hört ihn. „Möbel gestohlen … Überreagiert … keine Absicht.“ Sie hört wieder den Polizisten. „Protokoll … wohl beide nicht ganz nüchtern … mal erst den Rausch ausschlafen.“
    Dann fällt die Tür ins Schloss. Sie lauscht, hört seine Schritte im Flur in Richtung Kinderzimmer. Mühsam nimmt sie den Bademantel vom Haken, zieht ihn über das zerrissene Kleid.
    Nicht die Kinder! Nein, nicht zu den Kindern!
    Sie wankt auf den Flur. Er hält Daniel am Nacken und schubst ihn ihr entgegen. Er greift in ihre Haare und flüstert zischend: „Ich sage das nur dieses eine Mal. Ich will den schwachsinnigen Bastard nie wieder sehen oder hören, sonst passiert was! Hast du das verstanden?“
    Sie nickt.
    Er verschwindet im Schlafzimmer, zieht sich um. Einige Minuten später fällt die Wohnungstür krachend ins Schloss.
    Sie sitzt im Bad auf dem Fußboden. Dämmerung liegt vor dem Fenster. Dieser Augenblick von letzter oder erster Helligkeit. Sie starrt hinaus und wartet. Weiß nicht, ob die Nacht hereinbrechen wird oder der Tag beginnt. Sie erhebt sich. Ihr ganzer Körper schmerzt. Fernsehstimmen tanzen ihr auf dem Flur entgegen. Sven und Julia sitzen auf dem Sofa, Daniel auf dem Fußboden. Er wiegt seinen Oberkörper hin und her. An der Stirn hat er eine Platzwunde, blaue Flecken an den Armen. Der Wecker auf der Fensterbank zeigt halb elf. Julia kommt mit ihrem verweinten Gesicht auf sie zu und umarmt sie. Sie jault auf. Sven hat diese leeren Augen, jenseits aller Tränen. Sie will es nicht sehen. Nicht jetzt.
    Vorsichtig beugt sie sich runter und schaltet den Fernseher aus. Sven steht auf, geht wortlos ins Kinderzimmer und legt sich ins Bett. Julia krabbelt zu ihm. Alles scheint selbstverständlich, folgt wortlos mechanischen Gesetzen. Daniel schaukelt sich, auch er ist still.
    Sie nimmt ihn an die Hand, versucht ihn bettfertig zu machen. Er windet sich, wie er es immer tut. Jede seiner plötzlichen Bewegungen brennt wie Feuer in ihrem Körper. Sie lässt ihn los, lehnt sich an die Wand, wartet. Sie geht ins Bad und holt das Medikament, das sie Daniel bei besonders großer Unruhe geben soll. Das hat sie ihm noch nie gegeben. Aber er soll schlafen. Alle sollen endlich schlafen!

28
    Dunkelrote, vierstöckige Backsteinhäuser für je acht Mietparteien links und rechts der Straße. Betonplattenwege führten durch Rasenflächen zu den Eingängen.
    Kinder riefen und lachten, waren auf silberfarbenen Rollern unterwegs, die im Sonnenlicht blitzten. Anoraks lagen verstreut auf dem noch spärlichen Rasen.
    Joop tat es ihnen gleich und ließ seine Lederjacke im Auto zurück.
    Vor dem Eingang Nr. 45 hievte eine zierliche Frau um die sechzig Jahre einen Einkaufskorb vom Gepäckträger ihres Fahrrades. Neugierig beäugte sie die Fremden, wartete darauf, dass sie eine der Klingel drückten. An der Hauswand badeten Forsythien ihr Eidottergelb in der Sonne.
    Grube zog seinen Ausweis. „Kriminalpolizei. Wären Sie wohl so freundlich und würden uns hereinlassen.“
    Die Frau stellte den Korb ab, griff nach dem kleinen Kärtchen und studierte es mit ausgestreckten Armen.
    „Ja, aber … zu wem wollen Sie denn?“ Sie reichte den Ausweis an Grube zurück und sah ihn missbilligend an.
    „Da reden Sie vielleicht erstmal mit meinem Mann. Der ist hier nämlich Hausmeister.“
    Grube versuchte es mit bestimmter Freundlichkeit.
    „Nein, wir reden nicht erst mit Ihrem Mann. Sie schließen jetzt einfach auf!“
    Die Frau war sichtlich verunsichert, holte aber aus ihrer Jackentasche einen Schlüsselbund hervor und öffnete.
    Joop und Grube gingen eilig an ihr vorbei in den Hausflur. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend stiegen sie in den dritten Stock. Grube zog seine Waffe, überprüfte sie und stellte sich an die Wand. Joop klopfte suchend sein rotes Kapuzensweatshirt ab und lächelte verlegen. „Hmm. In der Jacke!“
    „Prima!“ Grube verdrehte die Augen, dann zeigte er mit einer Kopfbewegung auf die Klingel.
    Joop schellte.
    Nach nur wenigen Sekunden wurde die Tür mit Schwung geöffnet. Grube drehte sich in die Tür und schubste den jungen Mann in die Wohnung zurück. Im Hintergrund tauchte eine weitere Person auf, verstand augenblicklich, was passierte und lief auf den Balkon zu. Joop war mit wenigen Schritten bei

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