Mitten in der Stadt - Borrmann, M: Mitten in der Stadt
kann sie nicht mehr verbinden.
35
Um ein Uhr trafen sie sich im Konferenzraum. Grube trug Ausdrucke auf perforiertem Endlospapier unterm Arm, Linda ein Papptablett mit drei belegten Brötchen.
Die Größe des Raumes gab ihren Stimmen einen kaum wahrnehmbaren Hall, so als müssten die Worte für den Bruchteil einer Sekunde nach den Zuhörern suchen.
Joop stand an der Wand mit den Fotos.
Vincent Grube warf den Papierstapel auf den Tisch.
„Fangen wir mal mit dem guten Herrn Berger an.“
Er setzte sich vor den Papierberg und blätterte.
„Laut Finanzamt schreibt Herr Berger seit vier Jahren rote Zahlen. Von Jahr zu Jahr steigen die Hypotheken und Kreditsummen und die Bedienung dieser Schulden frisst die Einnahmen auf. Nach Auskunft der Bank hat Herr Berger letzten Sommer noch einmal versucht, eine Hypothek auf sein Haus aufzunehmen. Die Bank hat abgelehnt. Herr Berger – und jetzt haltet euch fest – hat Schulden in Höhe von rund siebenhunderttausend Euro.“
Linda pfiff respektvoll.
Grube nickte ihr zu.
„Genau! Interessant ist in diesem Fall die Beute. Nach Angaben von Herrn Berger ist der gestohlenen Schmuck allein achthunderttausend Euro wert!“
Joop schluckte an dem letzten Bissen seines Brötchens.
„Womit Mynheer Berger saniert wäre.“
Grube klappte seine langen Beine unter den Stuhl. Die Füße ragten über den hinteren Rand der Sitzfläche in den Raum.
„Ich fresse einen Besen, wenn der da nicht mit drinhängt! Ich habe mit der Versicherung telefoniert. Berger hat vor knapp einem Jahr neue Auflagen bekommen. Die Versicherung verlangte zusätzliche Sicherungsmaßnahmen für die Fenster mit einer Frist, die in drei Monaten abläuft. Bauliche Maßnahmen von ungefähr fünfzigtausend Euro. Ansonsten wären die Versicherungsbeiträge ab Juli dieses Jahres deutlich gestiegen. Außerdem hat er vor einem Jahr den Schmuck auf seinen Verkaufswert versichern lassen. Das ist eigentlich unüblich. Normalerweise wird der Einkaufswert versichert.“
Linda stand auf und stellte sich mit verschränkten Armen ans Fenster.
„Und ich fresse einen Besen, wenn dieser Luca da nicht mit drinhängt. Aus dem ist kein Wort rauszukriegen. Er kann sich nicht erklären, wieso Koller im Wagen „Der hat mich erkannt“ gesagt hat. Er meint, Koller habe einfach Angst gehabt, dass er, Luca, ihn hätte beschreiben können. Herrn Venturi habe ich nicht angetroffen. Das versuche ich nachher noch mal.“
Joop schüttelte den Kopf. „Aber Luca Puntino kann auf keinen Fall was mit Kollers Tod zu tun haben.“
Linda lachte trocken auf.
„Falsch! Er kann auf keinen Fall der Täter sein. Nur das stimmt!“, wies sie ihn zurecht.
„Ja, das meine ich!“ Joop ärgerte sich über seine Ungenauigkeit. Er ärgerte sich über ihren Ton.
Linda sah zum Fenster hinaus.
„Ach, komm, das kennt man doch. Diese Italiener. Der ganze Clan hockte doch an seinem Krankenbett. Die kommen doch alle in Frage.“
Joop zog unwillig die Augenbraue zusammen.
„Ah ja! Dann habe ich heute wenigstens etwas über den Italiener an sich gelernt.“
Linda drehte sich um und sah ihn an.
Joop wich ihrem Blick nicht aus. Diesem Blick, der zu sagen schien, du bist zu jung, du bist Holländer, und ich werde dir mal erklären, wie das hier bei uns läuft!
Grube stand auf und ging zum Flipchart. Am Abend zuvor hatten sie alle Namen, die irgendetwas mit dem Fall zu tun hatten, aufgeschrieben. Er zog mit einem roten Marker einen Kreis um Luca Puntino, Vittore Venturi und Roberta Venturi. Einen zweiten um Koller und einen dritten um Berger.
„Also, wo sind die Verbindungen?“
Joop nahm einen zweiten Stift, schrieb „unbekannt“ auf das Papier und kreiste ihn ebenfalls ein.
Er blickte zu Grube auf.
„Ich habe auch Neuigkeiten!“ Er erzählte von seinem Besuch im Bistro und das Nilgün bei einem Phantombild behilflich sein würde.
Er dachte einen Augenblick darüber nach, ob er es sagen sollte. Keine Fakten, nur ein Gefühl. Aber Lindas Verdacht gegen die Italiener war schließlich auch dürftig.
„Und dann war ich noch bei Frau Koller. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie etwas mit dem Raubüberfall zu tun hat, aber sie verhält sich merkwürdig.“ Er heftete das Familienfoto an die Wand zurück.
Linda kam zu ihnen herüber und lehnte sich an die Tischkante.
„Du meinst, Kollers Tod hat gar nichts mit dem Überfall zu tun, sondern ist eine Familientragödie?“ Das letzte Wort warf sie etwas zu theatralisch in den Raum.
Joop sah
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