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Mitternacht

Mitternacht

Titel: Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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wiederholt Sicherheitsprozeduren eingebleut - alle Türen und Fenster verschlossen halten; wissen, wo die Feuerlöscher waren; wissen, wie man bei einem Erdbeben oder einem anderen Notfall von jedem Zimmer aus dem Haus gelangen konnte - und er hatte ihm beigebracht, wie man mit einer Handfeuerwaffe schoß. Sams Meinung nach war Scott noch lange nicht reif genug, über Tage hinweg allein im Haus zu bleiben; aber wenigstens war der Junge hinreichend auf alle Eventualitäten vorbereitet.
    Das Telefon klingelte neunmal. Sam verspürte schuldbewußte Erleichterung darüber, daß er nicht durchkam, und wollte schon wieder auflegen, als Scott schließlich abnahm. »Hallo.«
    »Ich bin es, Scott. Dad.«
    »Ja?«
    Im Hintergrund spielte lautstark Heavy Metal Rock. Er war wahrscheinlich in seinem Zimmer und hatte die Stereoanlage so aufgedreht, daß die Fensterscheiben bebten. Sam sagte: »Könntest du die Musik leiser stellen?« »Ich kann dich gut hören«, murmelte Scott.
    »Vielleicht, aber ich habe Mühe, dich zu hören.«
    »Ich habe sowieso nichts zu sagen.«
    »Bitte, mach leiser«, sagte Sam mit Betonung auf dem >bitte<.
    Scott legte den Hörer weg, der auf seinem Nachttisch polterte. Der Laut tat Sam im Ohr weg. Der Junge machte die Lautstärke der Anlage nur unmerklich leiser. Er nahm das Telefon wieder und sagte: »Ja?«
    »Wie geht es dir?«
    »Ganz gut.«
    »Alles in Ordnung?«
    »Warum nicht?«
    »Ich hab' ja nur gefragt.«
    Plötzlich: »Wenn du angerufen hast, ob ich eine Party ma che, keine Bange. Ich mache keine.«
    Sam zählte bis drei, um die Stimme wieder unter Kontrolle zu bekommen. Nebelschwaden wehten an den Glasscheiben der Telefonzelle vorbei. »Wie war es heute in der Schule?«
    »Glaubst du, ich war nicht dort?«
    »Ich weiß, daß du dort warst.«
    »Du vertraust mir nicht.«
    »Ich vertraue dir«, log Sam.
    »Du denkst, ich wäre nicht dort gewesen.«
    »Warst du dort?«
    »Ja.«
    »Und wie war es?«
    »Lächerlich. Immer dieselbe alte Scheiße.«
    »Scott, bitte, du weißt, ich habe dich gebeten, solche Ausdrücke nicht zu gebrauchen, wenn du mit mir sprichst.« Sam merkte, daß er gegen seinen Willen in einen Streit gezogen wurde.
    »Tut mir leid. Dieselben alten Fäkalien«, sagte Scott in einem Tonfall, daß er ebensogut den Tag in der Schule wie Sam hätte meinen können.
    »Hier ist es ziemlich schön«, sagte Sam.
    Der Junge antwortete nicht.
    »Bewaldete Hänge direkt bis zum Meer.«
    »Und?«
    Sam folgte dem Rat des Familienberaters, den er und Scott gemeinsam und jeder für sich besucht hatten, biß die Zähne zusammen, zählte wieder bis drei und versuchte es auf andere Art. »Hast du schon gegessen?«
    »Ja.«
    »Hast du Hausaufgaben?«
    »Keine.«
    Sam zögerte, entschied dann aber, es dabei zu belassen. Der Berater, Dr. Adamski, wäre stolz auf soviel Toleranz und kühle Selbstbeherrschung gewesen.
    Die Lichter der Shell-Tankstelle hinter der Telefonzelle bekamen vielfache Heiligenscheine, während die Stadt im zunehmend dichter werdenden Nebel versank.
    Schließlich sagte Sam: »Was treibst du heute abend?« »Ich habe Musik gehört.«
    Manchmal glaubte Sam, daß die Musik teilweise dazu beigetragen hatte, den Jungen zu verderben. Dieser stampfende, frenetische, unmelodische Heavy Metal Rock war eine Sammlung monotoner Akkorde und noch monotonerer atonaler Riffs, so seelenlos und abstumpfend, daß es die Musik einer Zivilisation denkender Maschinen, lange nachdem die Menschheit von der Erde verschwunden war, hätte sein können.
    Nach einer gewissen Zeit hatte Scott das Interesse an den meisten Heavy Metal Bands verloren und war zu U2 übergewechselt, aber deren simples soziales Bewußtsein war keine Konkurrenz für Nihilismus. Er interessierte sich bald wieder für Heavy Metal, aber diesmal Black Heavy Metal, die Bands, die mit Satanismus kokettierten oder dessen dra matisches Zubehör verwendeten; er wurde zunehmend verschlossener, gesellschaftsfeindlich und ernst. Sam hatte mehr als einmal mit dem Gedanken gespielt, die Plattensammlung des Jungen zu konfiszieren, sie zu zerschmettern und wegzuwerfen, aber das schien eine absurde Übertreibung zu sein. Schließlich war Sam selbst sechzehn gewesen, als die Beatles und die Rolling Stones auf der Bildfläche erschienen waren, und seine Eltern hatten gegen diese Musik gewettert und vorhergesagt, daß sie Sam und seine ganze Generation in den Untergang führen würde. Und er war trotz John, Paul, George und Ringo und den Stones etwas

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