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Mitternacht

Mitternacht

Titel: Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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wie Hunde hechelten, zischten und knurrten, stießen hastige Worte hervor, während sie sie packten:
    »...schnappt sie, schnappt sie, schnappt sie ...«
    »...wollen, wollen es, wollen es ...«
    »...jetzt, jetzt, schnell, jetzt schnell, schnell, schnell ...«
    Sie zerrten an ihrer Jogginghose und wollten sie auszie hen, aber sie war nicht sicher, ob sie sie vergewaltigen oder verschlingen wollten; vielleicht keins von beiden; was sie wollten, entzog sich ihrem Verständnis. Sie wußte nur, sie waren von einem überwältigend starken Bedürfnis überkommen worden, denn die kalte Nachtluft war ebenso stark von ihrem Verlangen wie von Nebel und Dunkelheit erfüllt. Einer drückte ihr Gesicht tiefer in den feuchten Sand, und jetzt war das Wasser rings um sie herum; es war nur Zentimeter tief, reichte aber aus, sie zu ertränken, und sie ließen sie nicht Atem holen. Sie wußte, sie würde sterben, sie wurde hilflos festgehalten, sie würde sterben, und das nur, weil sie gerne nachts lief.

2
    Am Montag, dem 13. Oktober, zweiundzwanzig Tage nach dem Tod von Janice Capshaw, fuhr Sam Booker mit einem Mietwagen vom International Airport in San Francisco nach Moonlight Cove. Während der Fahrt spielte er ein grimmiges, aber auf finstere Weise amüsantes Spiel mit sich selbst, indem er sich im Geiste eine Liste der Gründe machte, warum er weiterleben sollte. Obwohl er länger als eine Stunde unterwegs war, fielen ihm nur vier Gründe ein: Guiness Stout, wirklich gutes mexikanisches Essen, Goldie Hawn und die Angst vor dem Sterben.
    Das dunkle, starke irische Bier erfreute ihn immer wieder und ließ ihn vorübergehend das Elend der Welt vergessen. Restaurants, die ständig erstklassiges mexikanisches Essen anboten, waren schon ungleich schwerer zu finden als Guiness; dieser Trost war daher weniger häufig. Sam hatte sich schon vor langer Zeit in Goldie Hawn verliebt – besser gesagt, das Leinwandimage, das sie verkörperte -, weil sie schön und niedlich war, bodenständig und intelligent, und zudem schien ihr das Leben so verdammt viel Spaß zu machen. Seine Chancen, Goldie Hawn kennenzulernen, standen etwa eine millionmal schlechter als die, in einer nordkalifornischen Küstenstadt wie Moonlight Cove ein erstklassiges mexikanisches Restaurant zu finden; daher war er froh, daß sie nicht der einzige Grund zum Weiterleben war.
    Als er sich seinem Ziel näherte, drängten sich hohe Pinien und Zypressen am Highway l, bildeten einen graugrünen Tunnel und warfen im spätnachmittäglichen Sonnenschein lange Schatten. Der Tag war wolkenlos und dennoch selt sam bedrohlich; der Himmel war hellblau und trotz seiner kristallenen Klarheit kahl, ganz anders als das tropische Blau, an das er in Los Angeles gewöhnt war. Die Tempera tur lag zwar um die dreißig Grad, doch der grelle Sonnenschein, der einem von einer Eisfläche reflektierten Schimmer glich, schien die Farben der Landschaft einzufrieren und sie mit einem Hauch imitierten Frosts trübe zu machen.
    Angst vor dem Sterben. Das war der beste Grund auf seiner Liste. Er war erst zweiundvierzig Jahre alt – einsachtundsiebzig groß, achtzig Kilo, momentan gesund -, dennoch war Sam Booker schon sechsmal am Ufer des Todes entlanggeschlittert, hatte in die Gewässer darunter gesehen und festgestellt, daß der Sprung hinein nicht einladend war. An der rechten Seite des Highways tauchte ein Hinweis schild auf: OCEAN AVENUE, MOONLIGHT COVE, 2 MEILEN.
    Sam fürchtete nicht die Schmerzen des Sterbens, denn die würden binnen eines Augenblicks vorbei sein. Er hatte auch keine Angst davor, sein Leben unvollendet zurückzulassen; er hatte seit mehreren Jahren keine Ziele oder Hoffnungen oder Träume mehr, er mußte nichts vollenden, nichts besaß Bedeutung oder Wichtigkeit. Aber er hatte Angst davor, was nach dem Leben kam.
    Vor fünf Jahren hatte er mehr tot als lebendig auf einem Operationstisch beinahe ein Sterbeerlebnis gehabt. Während sich die Ärzte hektisch bemüht hatten, ihn zu retten, war er aus seinem Körper emporgestiegen und hatte von der Decke auf seinen Leichnam und das Ärzteteam, das ihn umringte, hinabgesehen. Dann war er plötzlich durch einen Tunnel gerast, auf grelles Licht zu, auf die andere Seite zu: das vollständige Sterbeklischee, wie man es auf den Titelseiten der Regenbogenpresse im Supermarkt immer wieder finden konnte. Der geschickte Arzt hatte ihn im allerletzten Augenblick ins Land der Lebenden zurückgezogen, aber erst, nachdem er einen Blick auf das

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