Mitternachtserwachen
sich wie ein Steppenbrand, wogegen Vertrauen langsam wuchs wie eine Blume in der Wüste, bereit, bei dem leisesten Windhauch zu entwurzeln.
„Was für eine Macht? So alt wie das Urchaid?“ fragte Lior.
„Nein, dieses Böse hat neuere Wurzeln. Es führt auf die Anfänge der Marbhadair zurück. Ralph hat sich mit gefährlichen Dingen befasst. Wir sollten sein Grab öffnen und herausfinden, was in ihm liegt.“
Lior stellte Babylonus’ Worte nicht infrage. „Und Aileen?“ Was, wenn sie doch eine Bedrohung darstellte, sie alle täuschte, ihm zum Schluss nur übrig blieb, sie zu töten, weil der Wahnsinn in ihr lauerte und irgendwann von ihr Besitz ergreifen würde?
Die Vorstellung entsetzte ihn, bis es ihn innerlich zerriss. Dermaßen grausam konnte selbst das Schicksal nicht sein. Lior war des Tötens müde und in letzter Zeit hatte er sogar mit dem Gedanken gespielt, sein Dasein zu beenden, zu grau und leblos war ihm alles erschienen.
Aileen hatte seine Lebensgeister geweckt, und er ahnte, das war von Anfang an der Plan seines Obersten gewesen. Nosferats Handeln war immer von Effizienz geprägt. Warum nicht die Bedrohungen eliminieren und gleichzeitig seine rechte Hand zurück ins Leben holen? Auch wenn er seine Selbstzweifel niemandem gegenüber erwähnt hatte, wusste Nosferat, was in seinen Söldnern vorging, die ihm so nahe standen.
Liebe auf den ersten Blick! Verdammte Scheiße! Er hatte nicht einmal einen Blick gebraucht, um ihr zu verfallen.
Nosferat beugte sich vor, und seine grauen Augen waren ein Spiegel der ernsten Situation. „Ich wünschte, ich könnte dir mehr sagen, leider habe ich nicht genügend Bruchstücke gesammelt, um das Rätsel aufzulösen. Doch was als ein leichtes Flimmern anfing, könnte uns überrollen und wir alle könnten in den Flammen umkommen.“ Nosferat strich sich seufzend durch die Haare. „Und sämtliche Spuren führen zu Aileen, auch wenn sie noch unschuldig ist. Du hast gesehen, dass sie die Fähigkeiten der Marbhadair in sich trägt, selbst da Aileen sie unbewusst eingesetzt hat und ihr Gewissen ihr sehr zu schaffen macht. Ich bin mir sicher, dass sie zum ersten Mal getötet hat und nur aus Notwehr, doch jemand will ihr die Morde an den Andersartigen in die Schuhe schieben. Die Vampire oder die Angelus könnten ihr den Kopf abschlagen, nur um sicherzugehen.“
„Woher habt ihr das mit dem Labyrinth gewusst?“
Das Licht der Laternen, die den Urwald erhellten, spiegelte sich in Babylonus’ dunklen Augen, sodass es wirkte, als würden seine Pupillen in Flammen stehen. „Wir haben das Böse gespürt, das die Angelus ermordet hat. Doch es war bereits fort, ehe wir eingreifen konnten. Wir hatten gehofft, es würde erneut erscheinen. Stattdessen hat es seine Armee der Eistoten geschickt, erschaffen aus menschlichem Gewebe.“
Lior erinnerte sich an das seltsame Aussehen der Frauen.
„Etwas fehlt, um sie zu vervollständigen, und ihr könnt eure Ärsche darauf verwetten, dass Aileen ein Baustein ist. Jetzt wissen wir, wo all die Frauen geblieben sind, die in den letzten Jahren in ganz Europa verschwunden sind. Die vermissten Personen beschränken sich nicht nur auf das Gebiet um Kirkcaldy. Es müssen Tausende sein. Und wenn sie erst einmal fertiggestellt sind, dann sind wir verloren“, sagte Nosferat.
Lior hatte ihn selten so aufgewühlt erlebt. „Und ihr habt mich auserkoren, um an Aileens Seite zu bleiben. Woher wusstest du, dass wir uns auf der Stelle ineinander verlieben würden?“
„Wenn nicht du, wer dann? Es ist vorbestimmt, Junge. Widerstand ist zwecklos. Und hör auf, mich derart angepisst anzusehen, nicht ich habe in eurem Fall Amor gespielt.“
Wenn nicht Nosferat, wer dann?
Warum eröffnete Nosferat nicht eine Partnervermittlungsagentur für gebildete Andersartige mit Niveau? Doch Lior war ehrlich genug zuzugeben, dass er es kaum erwarten konnte, sich zu Aileen ins Bett zu legen und morgen den ersten Tag ihres restlichen Daseins mit ihr zu verbringen. Babylonus und Nosferat tauschten einen einvernehmlichen Blick aus und grinsten wie Babydrachen, denen es das erste Mal gelungen war, Feuer zu speien.
Nosferat stand auf. „Ach, und Lior, du solltest der Maklerin einen Besuch abstatten, gemeinsam mit Aileen.“
Babylonus’ Smartphone plärrte los, und er starrte auf das Display, leckte sich die Lippen. „Meine Herren, eine dringende Angelegenheit erfordert meine Anwesenheit.“
Lior erhaschte einen Blick auf die Sklavin, der gerade ein
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