Mitternachtserwachen
sich der Realität zu stellen, und sie beinhaltete Vampire, Dämonen und grauenvolle Mörder.
Sie löste sich aus seinem Griff. „Wo ist Togo?“
„Er ist draußen mit Mephistopheles, Morvens Vater. Sie ist die Gefährtin von Kendrick. Er müsste schon einen lahmen Arm vom Ballwerfen haben.“
Was waren das für seltsame Unterweltler? Sollten sie nicht bösartig sein und Menschen ihre Seelen abjagen?
„Das tun sie nur zu Weihnachten, manchmal auch zu Ostern.“ Lior gab ihr einen Klaps auf den Po, und Aileen verschwand im Bad. Dämonen legten offensichtlich Wert auf Sauberkeit. Sie fand sogar Zahnseide im Schrank.
Eine halbe Stunde später stand sie mit Lior auf einer Portalglyphe. Er hielt Togo auf den Armen, als würde er so viel wie ein Meerschweinchen wiegen, und der Hund sah genauso ängstlich aus, wie sie sich fühlte. Was, wenn der Strudel sie auseinanderriss und sie falsch zusammensetzte? Sie zu einem bizarren Gemisch mit Togo wurde?
„Halt dich einfach an mir fest.“
Lior machte eine Handbewegung, und die Glyphe erstrahlte in einem silbrigen Licht. Ein Sog erfasste sie, und ehe sich der Schrei von ihren Lippen löste, ragte vor ihr ein Schuppen auf, auf dem das Schild Kit Out prangte. Heftiger Schwindel packte sie, und sie fand sich in Kendricks Armen wieder. Der finstere Söldner hielt sie, bis sie das Gleichgewicht wiederfand.
Neben ihm stand eine kurvige Frau mit grünen Augen und dunkelblondem langen Haar, die verschmitzt lächelte. Das war Morven. Sie musste humorvoll sein, um es mit dem düsteren Kendrick auszuhalten, der garantiert nur lachte, wenn er jemanden folterte.
Kendrick fasste Aileen an der Taille, hob sie hoch und küsste sie mitten auf den Mund, während seine viel zu blauen Augen belustigt funkelten.
Shit! Auch er konnte ihre Gedanken lesen, und so wie Morven sich auf die Lippe biss, besaß sie diese Fähigkeit ebenso.
„Dich zu foltern würde mir durchaus gefallen. Ich verfüge über besonders einfallsreiche Methoden, um an alle Informationen zu kommen, die ich wissen will.“
Aus ihrem plötzlich staubtrockenen Mund kam kein Laut.
Aileen spürte das ziehende Gefühl in ihrem Kopf und wusste, sie hatte die Barriere errichtet. Aber wie?
Kendrick hatte sie überrumpelt, und er stellte Aileen grinsend auf den Boden und nahm langsam seine Hände von ihr. Morven schlug ihm auf den Hintern, und er warf ihr einen Blick zu, der Morven hörbar schlucken ließ. Tapfer drückte sie die schmalen Schultern durch und hielt ihm stand. Sie war nicht so weich, wie sie auf einen flüchtigen Blick erschien. Morven verfügte über eine stahlharte Entschlossenheit, die man erst beim näheren Hinsehen bemerkte.
Aileen streckte die Hand aus, doch Morven ignorierte es und fiel ihr stattdessen um den Hals. „Lass dich nicht von ihnen verunsichern, im Grunde sind sie wie stachlige Stofftiere, außen hart und innen plüschig“, wisperte sie so laut, dass man sie bis nach Glasgow hören konnte. Lior machte ein schnaubendes Geräusch, bückte sich und ließ Togo frei. Der Labrador setzte sich auf den Po, mit einem herzerweichenden Gesicht, und sein umfangreiches Frühstück landete auf der Erde. Anklagend schaute er zu Lior, während ein Winseln aus seiner Kehle kam, das so kläglich war, dass es Aileen Tränen in die Augen trieb.
„Tut mir leid, Kleiner“, sagte Lior mit sanfter Stimme und streichelte seinen Kopf. Direkt zwischen Aileen und Lior schnaubte etwas, und Lior sprang fast aus seinen Wanderboots. Das Pferd bleckte die Zähne, und Aileen wich zurück. Sie hatte nicht gewusst, dass ein Shire Horse so angsteinflößend aussehen konnte. Morven grinste breit. Es machte sie umso verführerischer.
„Du brauchst dich nicht vor ihm zu fürchten. Die Ainmhidhs haben es nur auf Lior abgesehen.“ Morven tätschelte den Hals des Rapphengstes, der sie anhimmelte, dann Aileen erst ins Gesicht schnaufte und sie anschließend sanft mit der Nüster berührte. Rücksichtslos drängte er sich zwischen sie und Lior, wobei er den Söldner beinahe umwarf. Lior murmelte etwas mit unterdrückter Stimme, das sich wie ‚Pferdchen im Schlafrock‘ anhörte.
Lachend legte Morven ihr den Arm um die Schultern. „Komm, wir trinken eine Tasse Tee, bevor ihr zum Silent Rose fahrt.“
Mehr denn je wollte Aileen den Auftrag stornieren, doch ihre Situation ließ es nicht zu. Zudem schrie ihr Instinkt, dass sie das Haus aufsuchen musste, um sich dem Grauen zu stellen, das dort in den Mauern lauerte, weil
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