Mitternachtserwachen
es ein wichtiges Puzzlestück war. Alles lag im Ungewissen, und sie wollte erfahren, was mit ihr geschehen war. Wenn sie wirklich eine Marbhadair war und drohte, zu einer Gefahr für die Menschheit zu werden, würde sie sich nicht die Mühe machen, den Ben Nevis zu erklimmen, sie würde sich von der nächstbesten Klippe stürzen.
Morven festigte ihren Griff, als ahnte sie, was in ihr vorging. „Ich weiß genau, wie du dich fühlst. Ich steckte vor ein paar Monaten in dem gleichen Schlamassel. Das Urchaid, das absolut Böse, hatte sich in mir eingenistet. Ich habe es besiegt, und auch du wirst dein Schicksal meistern. Du bist nicht allein und wirst es nie mehr sein. Die Söldner sind sehr besitzergreifend.“ Sie lachte. „Du darfst es ihm nie verraten, aber ich liebe Lior ein wenig, selbst da es mich manchmal drängt, ihn und Kendrick mit Honig zu überschütten und nackt in einem Bärengehege auszusetzen.“
Aileen erstaunten die vielen Personen, die aus dem Kit Out strömten oder hineingingen. Und die wenigsten sahen menschlich aus. Soweit sie es beurteilen konnte, lag das Cottage im Nirgendwo. „Ist das ein Klamottenladen?“
„So könnte man es ausdrücken. Ich bin Schneiderin und hatte ursprünglich geplant, Kleidung für die Schottin mit der normalen Figur anzufertigen.“ Morven seufzte tief und zeigte auf eine Gruppe Männer, die zusammenstanden und neugierig, aber auch feindselig, zu ihnen herübersahen. „Werwölfe sind inzwischen meine besten Kunden.“ Sie lachte herzhaft. „Ich kann es immer noch nicht glauben.“ Sie beugte sich verschwörerisch zu ihr. „Die schlimmsten Auftraggeber sind die Elben; geizige Biester, die an allem etwas auszusetzen haben. Der Letzte, der mich beschuldigt hat, ich hätte kein Auge für Details, wäre beinahe als Trophäe in meinem Laden geendet, um Nörgler abzuschrecken. Ich habe Kendrick selten so wutentbrannt gesehen.“
Auf Aileen machte der dunkle Lugus den Eindruck, als wäre er meistens in diesem Zustand, den er mit Inbrunst zelebrierte. Morven öffnete die Haustür zu einem Cottage, das größer war als ihres, obendrein mit einem renovierten Inneren glänzte.
Sie führte sie in eine modern eingerichtete Küche, die durch die farbenfrohen gelben Bezüge und verträumten Landschaftsbilder Gemütlichkeit ausstrahlte. Auf dem Tisch stand nicht nur eine Kanne Tee, sondern auch dampfende Scones mit frisch geschlagener Sahne und angedickten Kirschen.
Morven setzte sich auf die Bank am Fenster, und Aileen nahm gegenüber von ihr Platz.
„Bedien dich.“
Auf einmal hatte Aileen rasenden Hunger, nahm sich von dem Gebäck, belud es großzügig mit den Kirschen, erlaubte sich einen Löffel Sahne und schloss die Augen, sobald sie hineingebissen hatte.
„Himmlisch, nicht wahr? Die hat Godalf mitgebracht. Er ist der Werwolf mit den stachligen roten Haaren, der draußen bei den anderen Wölfen stand und mittlerweile ein guter Freund ist, obendrein der beste Bäcker und Innenarchitekt, den ich kenne.“
Das Ganze wirkte ein wenig zu heimelig.
„Sollst du mich ausfragen?“
Morven spuckte fast den Bissen wieder aus. „Du magst es geradeheraus.“ Sie hob die Hände. „Schuldig.“ Dann grinste sie breit. „Beantwortest du mir die Fragen trotzdem? Oder sollen wir nur in Ruhe eine Tasse Tee trinken?“
Aileen trank einen Schluck von dem frisch aufgebrühten Earl Grey, nutzte die Zeit, um sich darüber klar zu werden, was sie wollte. Sie hatte selbst eine Unmenge an Fragen. Aber vielleicht stellte Morven die richtigen, die ihr halfen, Klarheit in die verrückte Situation zu bekommen. Zudem war Morven schrecklich nett. Sie hatte sie vom ersten Augenblick gemocht. Man sollte Hilfe annehmen, egal, auf welche Art sie geboten wurde. Aileens Instinkte ließen sie selten im Stich. Morven wollte ihr helfen.
„Was ist mit Ralph geschehen?“
Aileen wusste, Morven meinte nicht seinen Tod, und sie hatte genau die Frage gestellt, vor der sie sich am meisten fürchtete. „Kurz nachdem wir in The Lily , unser Cottage, gezogen sind, hat Ralph sich verändert. Er war gereizt, verschwand oft für Stunden, ohne dass ich wusste, wohin er gegangen war. Er sprach kaum noch mit mir, und ich habe ihn nicht mehr wiedererkannt.“ Ihre Stimme brach, und sie umfasste die beruhigende Wärme der Tasse. „Er hat mich andauernd angeschrien, und manchmal hatte ich das Gefühl, er wollte mir etwas antun, mich schlagen und könnte sich nur mit äußerster Mühe davon abhalten. Zu dem
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