Mitternachtserwachen
gefallen, hätte Lior sie nicht gehalten.
Lior presste sie an sich, und sie hörte seinen rasenden Herzschlag. Blut tropfte seinen Unterarm entlang.
„Du bist verletzt.“ Sie versuchte, sich aus seinem Griff zu lösen. Im Kofferraum war bestimmt ein Erste-Hilfe-Kasten.
„Das ist nur ein Kratzer.“
Rovella sprang von der Stute. „Arschloch“, würgte sie hervor, während ihr Blick Dolche in Liors Richtung verschoss.
„Nachtragende Zicke!“
Ihr Gesichtsausdruck änderte sich in pure Besorgnis, sobald sie Aileen ansah. „Ist alles in Ordnung? Ich hoffe, ich bin noch rechtzeitig gekommen und er hat dir nichts angetan.“
Die beiden hatten offensichtlich eine gemeinsame Vergangenheit, die nicht gut geendet war, und Aileen spürte einen unerwarteten Stich Eifersucht in sich hochsteigen. Rovella war eine Schönheit, mit hüftlangen Haaren in der Farbe von Vanilleeis und Augen, die sie an purpurne Rosen erinnerten.
„Lior hat mir nichts getan, doch ich wollte ihn umbringen.“
Was, wenn sie an allem Schuld war? Sie diesen Zauber verursacht und es die ersten Zeichen darstellte, dass sie sich in eine irrsinnige Marbhadair verwandelte? Sie schlechte Stimmungen ausstrahlte, die auf jedes Lebewesen in ihrer Nähe übergriffen?
„Nein, Aileen, das war eine Macht, die ihren Ursprung in den Wurzeln der Menschheit hat. Jemand hat sie geweckt, und es ist das anfängliche Zittern. Misslingt es uns, dieses Grauen aufzuhalten, wird es sich zu einem Beben entwickeln, so gewaltig, wie die Erde es niemals erlebt hat. Auch das Böse entwickelt sich weiter und hat heute ganz andere Möglichkeiten als früher“, sagte Rovella. „Es hat euch unbemerkt attackiert, sobald ihr durch das Tor gefahren seid. Du solltest vorsichtiger sein, Pickelfresse.“
Aileen blieb der Mund offen stehen, während sie Liors makellose Haus betrachtete. Was hatte Lior getan, dass Rovella ihn dermaßen verachtete? Sie betrogen?
Lior schnaubte nur, wich Chiantis Zähnen gekonnt aus und zog Aileen dicht zu sich heran.
„Ich danke dir, Rovella“, sagte er in einem weichen Tonfall. „Wäre es nicht angebracht, nach der langen Zeit das Kriegsbeil …“
„Küss meinen Arsch, in diesem Leben nicht mehr.“ Allerdings blitzten ihre Augen vergnügt. Anscheinend genoss sie das Geplänkel mit Lior. Sie schwang sich elegant auf die Stute. „Meine Magie schützt euch gegen das, was euch angefallen hat. Doch gebt acht. Es könnten andere Dinge in dem Gebäude lauern, die es auf die Marbhadair abgesehen haben.“ Sie schnalzte mit der Zunge und stob die Einfahrt entlang und verschwand im Nichts.
„Wo ist Rovella so plötzlich hergekommen?“
„Sie hat eine mentale Verbindung zu der Führungsriege der Lugus und spürt, wenn wir in Gefahr sind.“
„Wieso kommt sie nicht mit hinein?“
„Sie darf sich nicht zu sehr einmischen. Rovella ist zur Neutralität verpflichtet, und sie hat die Lebensgefahr von uns abgewendet. Was immer in dem Haus lauert, es wird nicht tödlich sein.“
Wie beruhigend!
Lior ging vor Togo in die Hocke, der aussah, als müsse er gleich kotzen. Winselnd warf der Labrador sich in Liors Arme – seine Art, sich zu entschuldigen. „Schon gut, mein Freund. Dich hat es ebenso kalt erwischt wie uns.“ Unter Liors Streicheleinheiten beruhigte sich Togo sichtlich und hörte auf zu zittern.
Aileen lief zum Kofferraum, um den Verbandskasten zu holen. Sie drückte auf den Verschluss des großen silberfarbenen Koffers, der mit einem Symbol verziert war – ein Kreis bestehend aus zwei miteinander verflochtenen Wölfen, der eine weiß, der andere schwarz. An irgendwas erinnerten sie die Tiere. Meine Güte! Kendrick war vorbereitet. Das Verbandsmaterial, die Spritzen, Salben und kleinen Tüten hätten mit einem Krankenwagen konkurrieren können.
Lior trat neben sie. „Du lässt dich anscheinend nicht davon abhalten, mich zu versorgen. Nimm das golden schimmernde Pulver. Es beschleunigt die Wundheilung und verhindert Infektionen.“
Die Hälfte von dem Kofferinhalt konnte man bestimmt nicht in der Apotheke kaufen. Das Übersinnliche nahm mit einer rasanten Geschwindigkeit immer mehr Raum in ihrem Leben ein.
Lior setzte sich auf den Rand des Kofferraums und hielt ihr seinen Arm hin. Sie säuberte die Wunden so gut es ging und streute das Pulver auf die Verletzungen.
Wow! Fasziniert betrachtete sie, wie die Bisswunden schimmerten und sich vor ihren Augen verschlossen. Alles, was übrig blieb, waren goldfarbene Linien.
„Sie
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