Mitternachtserwachen
zuckten. Zur Hölle. Sie sollte ihn lieber nicht auf diese Idee bringen.
Er schubste sie, und sie landete auf dem Sitz. Als sie sich anschnallen wollte, merkte sie, wie sehr ihre Hände zitterten, jetzt da der Schock sie aus seinen Klauen ließ.
Lior lief um den Wagen herum, nahm Platz und legte seine Hand auf ihre. Er zitterte nicht im Geringsten. Im Gegenteil – er strahlte eine Ruhe aus, die allmählich auf sie übergriff.
„Lass mich das machen.“ Der Verschluss des Gurtes schnappte ein. Er drückte ihre Finger, führte sie zu seinen Lippen, küsste ihre Knöchel und sah sie sonderbar an. Wenn sie es nicht besser wüsste, würde sie denken, er wüsste nicht, was er mit ihr anfangen sollte.
„Sei unbesorgt, Marbhadair. Ich weiß genau, was ich mit dir tun werde.“
Ihr Herzschlag setzte aus, nur um mit doppelter Geschwindigkeit weiterzuschlagen. Kendrick zog einen Schokoriegel aus seiner Jacke, und Morven verschlang ihn mit drei Happen. Ein wenig Farbe kehrte in ihre Wangen zurück, bemerkte Aileen, als sie sich zu ihr drehte. Ansonsten herrschte Totenstille während der Fahrt. Was planten die Söldner?
Nach einer kurzen Fahrt hielten sie vor Morvens und Kendricks Cottage. Morven löste den Gurt und wollte aus dem Wagen springen, doch Kendrick bewegte sich dermaßen schnell, dass er an der Autotür war, noch ehe Morvens Füße den Boden berührt hatten. Er hob sie hoch und lief mit ihr über den Pfad aus Steinbruchfliesen auf den Eingang zu. Er wirkte wie ein düsterer Wikinger, der seine Beute verschleppte, ihr nicht den Gefallen tun würde sie zu schänden, sondern sie vor Lust schreien zu lassen. Bei jedem Schritt, den er machte, leuchteten Schriftzeichen unter seinen Wanderstiefeln auf. Niemals zuvor hatte sie einen Mann gesehen, der derart wütend laufen konnte, bis Lior auf sie zutrat und einen Arm um ihre Schultern legte. Vielleicht würde er Gnade zeigen, wenn sie sich wie Togo auf den Rücken warf und ihm einen Ich-habe-nichts-angestellt-Blick zuwarf.
„Vergiss es!“, knurrte Lior.
Es war so friedlich hier, und die hohen Gräser, die den Weg zierten, schaukelten im Takt des Windes. Wie leicht könnte sie vergessen, was geschehen war und was sie erwartete. Eine Zukunft, die ihr Leben kosten könnte und das von unzähligen Menschen. Schweiß brach kalt auf ihrer Haut aus, denn noch immer spürte sie das Böse, das sie so verführerisch gelockt hatte. Es wollte was von ihr. Nur was?
Ihre mentale Barriere meldete sich auf einmal zurück. Wenn sie diese Fähigkeit doch nur beherrschen könnte! Sobald Kendrick vor der Haustür stand, flimmerte auch sie und schwang nach innen auf. Das Cottage war gut geschützt, aber nicht nur durch Magie. Eine Alarmanlage sicherte das Gebäude, und Kendrick tippte ein paar Zahlen auf das Pad.
„Ihr beide könnt euch frisch machen, und wir bereiten das Frühstück zu“, sagte Lior. Morven schlurfte neben ihr die Treppe hoch und zeigte ihr das Gästezimmer mit angrenzendem Bad.
„Meinst du, sie tun uns etwas an?“, sprudelte es aus Aileen.
Morven fasste nach ihrer Hand und drückte sie. „Wir stehen es durch. Sie werden uns eine Moralpredigt halten, bis uns die Ohren klingeln. Bitte verrate den Söldnern nichts über die Transportglyphe.“ Sie presste die Lippen aufeinander. „Ich liebe Kendrick über alles, aber manchmal könnte ich ihn erwürgen. Wenn wir ihnen nicht zu Hilfe gekommen wären, würden sie keine düsteren Blicke mehr verschießen können. Die beiden Machomonster wissen das ganz genau.“
Morven vermied es, die Sprache auf ihre ungeborene Tochter zu bringen, und dass das Böse auch sie beinahe erledigt hatte, obendrein ihr Kind wollte.
„Ganz unrecht haben die Lugus nicht.“
Morven schenkte ihr ein trauriges Lächeln. „Ich weiß. Aber ich konnte nicht anders handeln. Es war, als hätte mich jemand gezwungen, mit dir auf den Friedhof zu gehen.“
„Mir erging es ebenso. Ich bin fast verrückt geworden von dem Drang, etwas zu tun. Morven, deine Tochter …“
Morven legte ihr die Arme um die Schultern und lehnte ihre Stirn gegen Aileens. „Meiner Tochter geht es gut, und was immer dir vorherbestimmt ist, du wirst die Prüfung meistern. Auch ich hatte Angst, dass das Urchaid die Macht über mich gewinnt, doch es hat nicht gesiegt. Und bei dir wird das Böse nicht gewinnen. Das weiß ich einfach.“
Sie neidete Morven diese Zuversicht. „Du bist mir so vertraut wie eine Schwester.“
„Hinterfrage es nicht, mir geht es
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