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Mitternachtsfalken: Roman

Titel: Mitternachtsfalken: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Als die beiden durch den Club gingen, fragte Betsy Harald: »Wo ist Lou?«
    »Gegangen. Er will mit jemand reden. Meinetwegen.«
    Sie hielt inne, ließ ihren Bankmenschen, dem das sichtlich peinlich war, mitten im Raum stehen und kam zu Harald an die Bar. »Lass dich mit Lou auf nichts ein, der ist ein Scheißkerl.«
    »Mir bleibt nichts anderes übrig.«
    »Dann lass dir einen Rat geben.« Betsy senkte die Stimme. »Trau ihm nicht über den Weg, keinen Zentimeter weit.« Sie wackelte mit dem Zeigefinger wie eine Lehrerin. »Nimm dich um Gottes willen in Acht.« Dann ging sie mit dem Mann im abgetragenen Anzug die Treppe hinauf.
    Die meint wohl, ich kann nicht auf mich selbst aufpassen, dachte Harald im ersten Moment verärgert. Doch dann sagte er sich: Sei kein Idiot, Betsy hat Recht. Du bist ein verdammter Grünschnabel, der keine Ahnung hat, wie man mit Leuten wie Luther umgehen muss – geschweige denn, wie man sich in diesem Milieu selber schützt.
    Trau ihm nicht über den Weg, hatte Betsy gesagt. Aber er hatte dem Mann ja bloß zehn Kronen gegeben. Wie Luther ihn zu diesem Zeitpunkt übers Ohr hauen sollte, war nicht recht einzusehen. Später würde er sicher mehr Geld verlangen, und da bestand dann natürlich die Gefahr, dass er versuchen würde, sich ohne Gegenleistung aus dem Staub zu machen.
    Nimm dich bloß in Acht. Sei auf jede Hinterhältigkeit gefasst, hieß das. Bisher hatte Luther eigentlich keinen Anlass, ihn zu verpfeifen – und trotzdem: Gewisse Vorsichtsmaßnahmen konnten nichts schaden. Harald merkte, dass er in dieser Bar, die nicht einmal eine Hintertür hatte, wie in einer Falle saß. Am besten gehe ich jetzt, dachte er, und behalte den Eingang aus einer gewissen Entfernung im Auge. Unvorhersehbares Verhalten kann vielleicht auch eine gewisse Sicherheit bieten.
    Harald trank sein Bier aus, winkte dem Barkeeper kurz zu und ging hinaus.
    Im Zwielicht schlenderte er den Kai entlang, bis er zu einem großen, mit armdicken Trossen vertäuten Getreidefrachter kam, und setzte sich auf einen gewölbten Stahlpoller. Von hier aus konnte er den Eingang zur Bar deutlich sehen und würde wohl auch Luther erkennen. Und umgekehrt? Die Gefahr, dass Luther ihn hier sah, war nicht besonders groß, denn vor dem dunklen Schiffsrumpf war er nur schwer auszumachen. Gut so, dachte Harald, auf diese Weise behalte ich das Heft in der Hand. Wenn Luther zurückkommt und die Luft rein ist, gehe ich wieder in die Bar. Und wenn Gefahr im Verzug ist, haue ich einfach ab.
    Zehn Minuten später erschien ein Streifenwagen der Polizei.
    Er kam mit hoher Geschwindigkeit den Kai entlanggeprescht, hatte aber keine Sirene eingeschaltet. Harald stand auf. Obwohl er vom Gefühl her am liebsten davongelaufen wäre, sah er ein, dass er sich dadurch erst recht verdächtig machen würde. Also zwang er sich zur Ruhe, setzte sich wieder hin und verhielt sich still.
    Der Streifenwagen hielt unmittelbar vor dem Eingang zum Jazz-Club.
    Zwei Personen stiegen aus. Der Mann, der am Steuer gesessen hatte, trug eine Polizeiuniform, der andere einen hellen Anzug. Harald starrte angestrengt ins Halbdunkel, erkannte das Gesicht und hielt vor Schreck die Luft an: Es war Peter Flemming!
    Die beiden Polizisten betraten den Club.
    Harald wollte sich schon davonmachen, als sich eine weitere Gestalt dem Eingang näherte. Am schlurfenden Gang über das Kopfsteinpflaster erkannte er Luther. Der blieb ein paar Meter vor dem Streifenwagen stehen und lehnte sich wie ein gelangweilter Gaffer an die Hausmauer, als warte er nur darauf, dass etwas passierte.
    Jetzt wissen die Bullen, dass ich nach Schweden türmen will, dachte Harald. Zweifellos erwartet Luther sich eine dicke Belohnung dafür, dass er mich verpfiffen hat. Betsys Warnung war echt Gold wert – und welch ein Glück, dass ich auf sie gehört habe!
    Es dauerte nur ein paar Minuten, bis die Polizisten die Bar wieder verließen. Peter Flemming sprach mit Luther. Die beiden brüllten sich an, sodass Harald die Stimmen hören konnte; allerdings war er zu weit entfernt, um auch die Worte zu verstehen. So, wie es aussah, machte Peter Luther schwere Vorwürfe, denn jener warf mehrmals hilflos die Hände in die Luft, als wolle er sagen: Was kann ich denn dafür?
    Am Ende fuhren die beiden Polizisten wieder ab, und Luther ging in die Bar.
    Harald sah zu, dass er davonkam, noch ganz erschüttert von der Erkenntnis, wie knapp es diesmal gewesen war. Sein Motorrad stand noch dort, wo er es abgestellt hatte. Im

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