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Mitternachtsfalken: Roman

Titel: Mitternachtsfalken: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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nicht. Ich könnte ja auch von der Polizei sein und mich nur als
    Arnes Verlobte ausgeben, um ihn auszuhorchen. »Arne ist wegen dieser Aufnahmen gestorben«, sagte sie. »Er hat versucht, sie mir zukommen zu lassen.«
    Heis nickte und rang sich zu einem Entschluss durch. »Harald ist nach seiner Relegation noch einmal hierher zurückgekehrt und nachts in unsere Dunkelkammer eingebrochen.«
    Hermia seufzte erleichtert auf. Harald hatte den Film entwickelt! »Haben Sie die Bilder gesehen?«
    »Ja. Ich erzähle überall, es habe sich um Aufnahmen von jungen Damen in gewagten Positionen gehandelt, aber das ist bloß erfunden. Es waren Bilder von einer militärischen Einrichtung.«
    Hermia hätte jubeln können. Die Fotos existierten! Bis dahin war die Mission also erfolgreich verlaufen. Aber wo war der Film jetzt? Hatte Harald noch die Zeit gefunden, ihn Arne zu geben? Wenn ja, so hatte Arne sein Leben vergeblich geopfert, denn dann befand sich der Film inzwischen in den Händen der Polizei. »Wann war Harald hier und hat den Film entwickelt?«, fragte sie.
    »Am vergangenen Donnerstag.«
    »Arne ist am Mittwoch verhaftet worden.«
    »Das heißt, dass Harald Ihre Bilder nach wie vor hat.«
    »Ja.« Hermias Stimmung besserte sich. Arnes Tod war nicht umsonst gewesen. Der entscheidende Film war noch im Umlauf- irgendwo. Sie erhob sich. »Ich danke Ihnen für Ihre Hilfe.«
    »Sie fahren jetzt nach Sande?«
    »Ja. Ich muss Harald finden.«
    »Viel Glück«, sagte Heis.
    D ie deutsche Armee verfügte über eine Million Pferde. Zu den meisten Divisionen gehörte auch eine Veterinärkompanie, die dafür zuständig war, kranke und verwundete Tiere zu heilen, Futter zu organisieren und Ausreißer wieder einzufangen. Eine dieser Kompanien hatte sich nun auf Kirstenslot einquartiert.
    Es war das denkbar größte Pech, das Harald passieren konnte. Die Offiziere wohnten im Schloss, und ungefähr hundert Mann waren in den Mönchszellen des aufgelassenen Klosters untergebracht. Der alte
    Kreuzgang gleich neben der Kirche, in der Harald seinen Unterschlupf hatte, war in ein Pferdehospital verwandelt worden.
    Die Wehrmacht war überredet worden, die Kirche selbst nicht zu benutzen. Karen hatte ihren Vater bekniet, dies bei den Verhandlungen zur Bedingung zu machen; sie wolle nicht, behauptete sie, dass die Soldaten die dort untergebrachten Schätze aus ihrer Kindheit zerstörten. Herr Duchwitz hatte den befehlshabenden Offizier, Hauptmann Kleiss, darauf aufmerksam gemacht, dass das viele Gerümpel in der Kirche ohnehin nur wenig nutzbaren Platz ließ. Nach einem Blick durchs Fenster – Harald war, von Karen vorgewarnt, rechtzeitig verschwunden – hatte sich Kleiss einverstanden erklärt, dass die Kirche verschlossen blieb. Zum Ausgleich hatte er drei Zimmer im Schloss verlangt, die als Büros dienen sollten, und damit waren alle Beteiligten zufrieden.
    Die Deutschen waren höflich, freundlich – und neugierig. Und Harald, der sich mit seinem Plan, die Hornet Moth wieder flugfähig zu machen, ohnehin schon genug Schwierigkeiten aufgehalst hatte, sah sich nun gezwungen, alles unmittelbar unter den Augen der Soldaten tun.
    Er entfernte die Muttern, die die Gabelachse mit den verbogenen Streben hielten. Sein Plan bestand darin, die beschädigten Teile auszubauen, an den Soldaten vorbeizuschmuggeln und in Bauer Nielsens Werkstatt zu bringen. Wenn Nielsen nichts dagegen hatte, wollte er die Reparaturen dort ausführen. Die dritte Strebe mit dem Stoßdämpfer würde unterdessen das aufgebockte Flugzeug halten.
    Die Radbremse war vermutlich auch beschädigt, was Harald jedoch nicht sonderlich störte. Sie wurde hauptsächlich beim Rollen gebraucht, und Karen hatte ihm gesagt, dass sie auch ohne Radbremse zurechtkäme.
    Immer wieder unterbrach Harald seine Arbeit und sah zum Fenster hinauf, rechnete er doch ständig damit, dort das Gesicht von Hauptmann Kleiss zu erblicken. Mit seiner großen Nase und dem wuchtigen, vorspringenden Kinn erweckte Kleiss einen sehr kriegerischen Eindruck. Doch weder der Hauptmann noch sonst jemand spähte zum Fenster herein, und nach ein paar Minuten hielt Harald
    die V-förmige Strebe in der Hand.
    Er stieg auf eine Kiste, um hinauszusehen. Das Ostende der Kirche wurde teilweise von einem Kastanienbaum verdeckt, der um diese Jahreszeit in vollem Laub stand. In unmittelbarer Nähe schien sich niemand aufzuhalten. Harald schob die Strebe durchs Fenster, ließ sie draußen auf den Boden fallen und sprang

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