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Mitternachtsfalken: Roman

Titel: Mitternachtsfalken: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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willst du im Hotel tun?«
    »Ich glaube, ich sollte eigentlich nach Kopenhagen zurückfahren.«
    Das ärgerte ihn. Als die Kutsche am Kai stehen blieb, fragte er: »Was, zum Teufel, ist los mit dir?«
    »Mir hat das alles nicht gefallen.«
    »Aber es musste sein!«
    »Da bin ich mir nicht so sicher.«
    »Es war unsere Pflicht, alles zu versuchen, diese Leute zum Reden zu bringen.«
    »Pflichterfüllung ist nicht alles.«
    Das hat sie schon einmal gesagt, dachte Peter, damals, bei unserem Streit über die Juden. »Das ist doch reine Wortklauberei. Die Pflicht ist das, was man tun muss. Dabei kann man keine Ausnahmen machen. Deshalb geht es ja in der Welt drunter und drüber.«
    Die Fähre lag am Kai, und Tilde stieg aus der Kutsche. »Das ist einfach das Leben, Peter, sonst nichts.«
    »Aber warum haben wir denn so viele Verbrechen? Würdest du nicht auch lieber in einer Welt leben, in der jedermann seine Pflicht erfüllt? Stell dir das mal vor! Gut erzogene Menschen in schmucken Uniformen, die ihre Arbeit tun – keine Schlamperei, kein Zuspätkommen, keine Halbheiten. Wenn alle Verbrechen ohne Ausnahmen geahndet und keine Ausreden mehr akzeptiert würden, dann gäbe es für die Polizei kaum noch was zu tun!«
    »Und das ist wirklich deine Idealvorstellung?«
    »Ja – und wenn ich jemals Polizeichef werden sollte und die Nazis noch immer das Sagen haben, dann werden wir das auch schaffen! Was sollte denn daran falsch sein?«
    Tilde nickte, beantwortete seine Frage jedoch nicht mehr. »Auf Wiedersehen, Peter«, sagte sie.
    Als sie ging, rief er ihr hinterher: »Also? Was ist verkehrt daran?« Doch sie bestieg die Fähre und drehte sich nicht mehr um.

Teil 4
    H arald wusste, dass er von der Polizei gesucht wurde. Seine Mutter hatte ein zweites Mal in Kirstenslot angerufen, angeblich, um Karen Tag und Stunde von Arnes Begräbnis mitzuteilen. Im Laufe des Gesprächs hatte sie erwähnt, dass sie von der Polizei nach Haralds Aufenthaltsort gefragt worden war. »Aber da ich nicht weiß, wo er ist, konnte ich es ihnen nicht sagen«, hatte sie erklärt. Das war eine klare Warnung gewesen. Harald bewunderte seine Mutter, dass sie den Mut dazu gefunden hatte und dabei auch noch so clever gewesen war, sich auszurechnen, dass Karen die Nachricht vermutlich an den richtigen Adressaten weitergeben würde.
    Doch trotz der Warnung musste Harald die Flugschule aufsuchen.
    Damit er nicht seinen auffälligen Schulblazer anziehen musste, erleichterte Karen die elterliche Garderobe um einige Kleidungsstücke, die ihr Vater schon seit Jahren nicht mehr trug. Harald zog ein fantastisch leichtes amerikanisches Sportjackett an, setzte sich eine Leinenmütze auf den Kopf und eine Sonnenbrille auf die Nase. Am Ende seiner Verwandlung sah er einem millionenschweren Playboy ähnlicher als einem flüchtigen Spion. Dennoch war er hochgradig nervös, als er in Kirstenslot den Zug bestieg. Er kam sich in dem Eisenbahnwaggon wie in einer Falle vor, denn bei einer unerwünschten Begegnung mit einem Polizisten konnte er nicht einmal weglaufen.
    In Kopenhagen sah er auf dem kurzen Fußweg zwischen Vesterport-Bahnhof und der Hauptstrecke keinen einzigen uniformierten Polizisten. Schon wenige Minuten später saß er in einem Zug nach Vodal.
    Auf der Fahrt dachte er an seinen Bruder. Alle hatten geglaubt, dass Arne für Aktivitäten im Widerstand ungeeignet wäre: Zu verspielt sei er, zu sorglos, vielleicht nicht tapfer genug. Und dann hatte sich herausgestellt, dass er der größte Held von allen war. Allein der Gedanke daran trieb Harald die Tränen in die hinter der Sonnenbrille verborgenen Augen.
    Renthe, der Flugplatzkommandant, erinnerte ihn an Heis, den Direktor seiner Schule. Beide Männer waren groß, dünn und langnasig. Die Ähnlichkeit machte es Harald schwer, Renthe zu belügen. »Ich bin hier, weil ich. äh. die Sachen meines Bruders holen will«, sagte
    er, »die privaten Dinge. Wenn es Ihnen recht ist.«
    Renthe schien seine Verlegenheit nicht zu bemerken. »Selbstverständlich«, erwiderte er. »Hendrik Janz, einer von Arnes Kameraden, hat schon alles zusammengepackt. Es handelt sich lediglich um einen Koffer und einen Seesack.«
    »Vielen Dank.« Harald war an Arnes Habseligkeiten gar nicht interessiert. Er hatte nur eine Ausrede gebraucht, um auf das Gelände der Flugschule zu kommen. In Wirklichkeit ging es ihm um fünfzehn Meter Stahlseil, die ihm für die Hornet Moth noch fehlten. Und dies hier war vermutlich die einzige Stelle, wo

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