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Mitternachtsfalken: Roman

Titel: Mitternachtsfalken: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Kutscher, sie zum Pfarrhaus zu fahren.
    Die Sonne blinzelte über den Horizont und spiegelte sich in den kleinen Fenstern der geduckten Häuschen wider. In der Nacht hatte es geregnet, und der Strandhafer auf den Dünen war voller glitzernder Tröpfchen. Eine leichte Brise riffelte die Meeresoberfläche. Die ganze Insel schien sich für Tildes Besuch fein gemacht zu haben. »Wie schon es hier ist«, sagte sie, und Peter freute sich darüber. Er zeigte ihr die Sehenswürdigkeiten, an denen sie auf ihrer Fahrt vorbeikamen: das Hotel, sein Elternhaus – das größte auf der Insel – und den Stützpunkt, auf den es die Spione abgesehen hatten.
    Als sie sich dem Pfarrhaus näherten, fiel Peter auf, dass die Tür der kleinen Kirche offen stand. Dann hörten sie die Klänge eines Klaviers. »Das konnte Harald sein«, sagte er und hörte die Erregung in seiner Stimme. Konnte es denn so einfach sein? Er hüstelte und sprach dann bewusst tiefer und ruhiger. »Sehen wir mal nach, oder?«
    Sie stiegen aus dem Einspänner aus, und der Kutscher fragte: »Um welche Zeit soll ich wiederkommen, Herr Flemming?«
    »Warten Sie hier bitte«, sagte Peter.
    »Aber ich habe noch andere Fahrgäste.«
    »Warten Sie hier!«
    Der Kutscher murmelte etwas in seinen Kragen.
    »Sollten Sie nicht mehr hier sein, wenn ich zurückkomme, dann sind Sie gefeuert«, sagte Peter. Der Kutscher machte ein finsteres Gesicht, blieb aber, wo er war.
    Peter und Tilde gingen in die Kirche. Am anderen Ende sahen sie eine groß gewachsene Gestalt am Klavier. Sie saß mit dem Rücken zur Tür, doch Peter kannte die breiten Schultern und den runden Kopf. Das war Bruno Olufsen, der Vater von Harald und Arne.
    Die Enttäuschung ließ Peter zusammenzucken. Er wollte Harald unbedingt verhaften und musste aufpassen, dass seine Gier nicht mit ihm durchging.
    Der Pastor spielte einen getragenen Choral in Moll. Peter warf rasch einen Blick auf Tilde. Sie sah traurig aus. »Lass dich nicht täuschen«, murmelte er. »Der alte Tyrann ist hart wie Kruppstahl.«
    Die Strophe war zu Ende, und Olufsen stimmte die nächste an. Peter hatte keine Lust, sich den ganzen Choral anzuhören. »Herr Pastor!«, sagte er laut.
    Der Pfarrer hörte nicht sofort auf zu spielen, sondern brachte den Vers zu Ende und ließ die Töne noch einen Moment lang nachschwingen. Erst dann drehte er sich um. »Flemming junior«, sagte er dann mit tonloser Stimme.
    Einen Augenblick lang war Peter entsetzt über das Aussehen des Pastors: Er schien um Jahre gealtert zu sein. Sein Gesicht war von Sorgen und Erschöpfung zerfurcht, und der eisige Glanz war aus seinen blauen Augen gewichen. Peter überwand seine Überraschung
    und sagte: »Ich suche Harald.«
    »Hab ich mir schon gedacht, dass das kein Beileidsbesuch ist«, erwiderte der Pastor kalt.
    »Ist er hier?«
    »Ist das ein offizielles Verhör?«
    »Warum fragen Sie das? Hat sich Harald eines Vergehens schuldig gemacht?«
    »Nein, gewiss nicht.«
    »Freut mich zu hören. Ist er im Haus?«
    »Nein. Er hält sich zurzeit nicht auf der Insel auf. Ich weiß nicht, wo er ist.«
    Peter wechselte rasch einen Blick mit Tilde. Das war ein Rückschlag – doch andererseits auch ein Indiz dafür, dass Harald eben doch schuldig war. Warum sonst hätte er verschwinden sollen? »Was glauben Sie, wo er sich aufhält?«
    »Zieh Leine!«
    Arrogant wie eh und je – doch diesmal kommt mir der Herr Pastor damit nicht durch, dachte Peter genüsslich. »Ihr ältester Sohn hat sich umgebracht, weil er als Spion entlarvt wurde«, erklärte er barsch.
    Der Pastor zuckte zusammen, als hätte Peter ihn geschlagen.
    Peter hörte, wie Tilde nach Luft rang, und erkannte, dass seine Grausamkeit sie schockierte, dennoch machte er weiter. »Ihr jüngerer Sohn hat sich wahrscheinlich ähnlicher Verbrechen schuldig gemacht. In Ihrer Lage können Sie es sich nicht leisten, der Polizei gegenüber den Erhabenen zu spielen.«
    Das sonst so stolze Gesicht des Pastors wirkte eingefallen und verletzlich. »Ich habe dir schon erklärt, dass ich nicht weiß, wo Harald ist«, sagte er mit dumpfer Stimme. »Hast du noch weitere Fragen?«
    »Was verheimlichen Sie uns?«
    Der Pastor seufzte. »Du gehörst zu meiner Gemeinde, Peter, und wenn du mich um geistlichen Beistand bittest, werde ich dich nicht abweisen. Aber aus anderen Gründen werde ich kein Wort mehr mit dir wechseln. Du bist eingebildet und grausam und so nichtswürdig wie kaum eine andere Kreatur auf Gottes Erde. Geh mir aus den

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