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Mitternachtsfalken: Roman

Titel: Mitternachtsfalken: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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steckte, bestätigte ihn in seiner Annahme.
    »So, nun lass uns wieder zu den anderen gehen«, sagte Poul und ging zur Tür. Seine Hand lag bereits auf der Klinke, als er stehen blieb, sich umdrehte und sagte: »Zeichnungen von militärischen Einrichtungen der Deutschen anzufertigen, gilt als Verbrechen. Ich würde an deiner Stelle darüber kein Wort verlieren, nicht einmal gegenüber Arne.«
    Harald erschrak. Sein Bruder war in diese Geschichte nicht eingeweiht. Selbst Arnes bester Freund traute ihm nicht die nötige Nerven- kraft zu.
    Harald nickte. »Einverstanden – unter einer Bedingung.«
    Poul war überrascht. »Bedingung? Und die wäre?«
    »Dass du mir eine Frage ehrlich beantwortest.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Ich werd‘s versuchen.«
    »Es gibt eine Widerstandsbewegung, nicht wahr?«
    »Ja«, sagte Poul und wirkte auf einmal sehr ernst. Er zögerte einen Augenblick; dann fügte er hinzu: »Und du gehörst jetzt auch dazu.«
    T ilde Jespersen hatte ein leichtes, blumiges Parfüm aufgelegt, dessen Duft über das kleine Tischchen des Straßencafes hinwegzog und Peter Flemmings Nase betörte. Es war nur ein Hauch, zu schwach, als dass er ihn hätte identifizieren können, vergleichbar einem flüchtigen Gedanken. In seiner Fantasie malte er sich aus, wie der Duft von ihrer warmen Haut aufstieg, wenn er ihr Bluse, Rock und Unterwäsche abstreifte. »Woran denken Sie?«, fragte sie ihn. Er war versucht, ihr die Wahrheit zu sagen. Sie würde die Erschrockene spielen, sich insgeheim aber darüber freuen. Er wusste, wann eine Frau bereit war, solche Gespräche zu führen, und wie man sie führte: locker, mit einem schuldbewussten Lächeln im Gesicht und einem aufrichtigen Unterton in der Stimme.
    Im letzten Augenblick musste er an seine Frau denken und hielt sich zurück. Er nahm seine Ehegelübde ernst. Andere mochten denken, dass er eine gute Ausrede hätte, sich darüber hinwegzusetzen, doch er stellte höhere Ansprüche an sich selbst.
    Daher sagte er jetzt: »Ich musste daran denken, wie Sie dem flüchtigen Wart auf dem Flughafen ein Bein gestellt haben. Das verriet große Geistesgegenwart.«
    »Ich habe mir gar nichts dabei gedacht, sondern einfach nur den Fuß ausgestreckt.«
    »Ein gutes Gespür, auf alle Fälle! Um ehrlich zu sein: Ich habe nie sehr viel von der Zulassung von Frauen zum Polizeidienst gehalten und habe immer noch gewisse Vorbehalte. Das ändert jedoch nichts daran, dass Sie eine hervorragende Polizistin sind.«
    Sie zuckte mit den Achseln. »Ich habe ja selbst meine Zweifel. Vielleicht wäre es besser, wenn die Frauen daheim blieben und sich um die Kinder kümmerten. Doch nach Oskars Tod.« Oskar, ihr Ehemann, war Kriminalinspektor und mit Peter Flemming befreundet gewesen. »Ich musste arbeiten. Und außer der Polizei und anderen Branchen der Exekutive hatte ich ja nichts kennen gelernt – mein Vater war Zollbeamter, mein älterer Bruder ist Militärpolizist und mein jüngerer Bruder ist Polizist in Aarhus.«
    »Ich sage Ihnen jetzt, was mir besonders gut an Ihnen gefallt, Tilde: Sie versuchen nie, die Männer dazu zu bringen, Ihnen die Arbeit abzunehmen, indem Sie das hilflose Weibchen spielen.«
    Das war als Kompliment gedacht, doch Tilde wirkte darüber nicht so erfreut, wie er gehofft hatte. »Ich bitte überhaupt niemals um Hilfe«, sagte sie spröde.
    »Das ist sicher nicht die schlechteste Einstellung.«
    Sie sah ihn an, aber Flemming konnte ihren Blick nicht deuten. Er begriff nicht, warum die Atmosphäre plötzlich so abgekühlt war. Vielleicht befürchtete sie, dass man sie sofort als hilfloses Weibchen abstempelte, sollte sie jemals um Hilfe bitten. Das würde ihr sicher gewaltig gegen den Strich gehen. Andererseits baten Männer einander dauernd um Hilfe.
    Sie drehte den Spieß um. »Warum sind Sie eigentlich Polizist geworden?«, fragte sie. »Ihr Vater besitzt doch ein gut gehendes Unternehmen. Wollen Sie das nicht eines Tages übernehmen?«
    Er schüttelte bedrückt den Kopf. »Ich habe in den Schulferien immer im Hotel meines Vaters gearbeitet. Und ich hasste die Gäste mit ihren ständigen Ansprüchen und Beschwerden: Das Rindfleisch ist verkocht, meine Matratze ist uneben, ich warte schon seit zwanzig Minuten auf eine Tasse Kaffee. Nein, das könnte ich auf die Dauer nicht aushalten.«
    Der Kellner kam. Flemming widerstand der Versuchung, sein Smörrebröd mit Hering und Zwiebeln zu essen, weil ihm im Hinterkopf der Gedanke herumspukte, Tilde vielleicht heute

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