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Mitternachtsfalken: Roman

Titel: Mitternachtsfalken: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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würden, gäbe es gar kein Sicherheitsdezernat.«
    Tilde schüttelte den Kopf. »Hören Sie, Peter, wir wissen beide, dass die Nazis ein paar ganz gute Sachen gemacht haben«, sagte sie. »Sie sind – grundsätzlich jedenfalls – auf der Seite der Polizei, haben subversive Umtriebe unterbunden, sorgen für Recht und Ordnung, haben die Arbeitslosigkeit gesenkt und so weiter. Nur, was die Juden betrifft, da sind sie einfach wahnsinnig.«
    »Kann ja sein. Auf jeden Fall sind sie es, die momentan die Spielregeln bestimmen.«
    »Jetzt schauen Sie sich doch mal die dänischen Juden an – das sind gesetzestreue, hart arbeitende Bürger, die ihre Kinder in die Schule schicken. Es ist absolut lächerlich, ihre Namen und Adressen aufzulisten, als wären sie alle Mitglieder einer kommunistischen Verschwörung.«
    Er lehnte sich zurück und sagte anklagend: »Sie weigern sich also, in dieser Angelegenheit mit mir zusammenzuarbeiten?«
    Jetzt war es an ihr, beleidigt zu sein. »Wie können Sie so etwas sagen? Ich bin Polizeibeamtin, und Sie sind mein Vorgesetzter. Ich werde tun, was Sie mir auftragen, das sollten Sie eigentlich wissen.«
    »Ist das Ihr Ernst?«
    »Angenommen, Sie würden von mir verlangen, sämtliche Hexen in diesem Land in Listen zu erfassen. ich würde Ihnen dann erst einmal sagen, dass ich Hexen weder für Kriminelle noch für subversive Elemente halte. Aber dann würde ich Ihnen bei der Zusammenstellung der Liste helfen.«
    Ihre Bestellungen kamen. Sie begannen zu essen. Nach einigen Minuten peinlichen Schweigens sagte Tilde: »Wie geht es zu Hause?«
    Unwillkürlich musste Peter Flemming an ein Erlebnis mit Inge denken. Ein paar Tage vor dem Unfall waren sie am Sonntagmorgen zur Kirche gegangen, zwei gesunde, glückliche junge Menschen in ihren besten Kleidern. Es gab so viel Abschaum, so viel Gesindel in der Welt – wieso musste es ausgerechnet seine Frau treffen, wieso ausgerechnet ihr Geist durch diesen besoffenen jungen Kerl mit seinem Sportwagen zerstört werden? »Inge geht es wie immer«, sagte er.
    »Keine Besserung?«
    »Wenn das Gehirn so schwer geschädigt ist, gibt es keine Besserung. Da wird sich nie etwas ändern.«
    »Das muss schwer sein für Sie.«
    »Ich habe noch Glück, weil mein Vater so großzügig ist. Von meinem Gehalt als Polizeibeamter könnte ich mir keine Krankenschwester leisten. Ich müsste Inge in eine Anstalt stecken.«
    Wieder dieser rätselhafte Blick. Es sah fast so aus, als wolle Tilde sagen, dass eine Anstalt vielleicht nicht die schlechteste Lösung wäre. »Was ist mit dem Sportwagenfahrer?«, fragte sie.
    »Finn Jonk? Sein Prozess hat gestern begonnen und sollte in ein oder zwei Tagen vorüber sein.«
    »Na endlich! Was glauben Sie – wie wird das Verfahren ausgehen?«
    »Er bekennt sich schuldig. Ich denke, man wird ihn für fünf oder zehn Jahre ins Gefängnis stecken.«
    »Nicht lange genug, schätze ich.«
    »Für jemanden, der einem. Menschen das Gehirn zerstört hat? Was wäre da lange genug?«
    Nach dem Essen, auf dem Rückweg zum Politigaarden, hakte Tilde sich bei ihm ein. Es war eine Geste der Zuneigung, und Flemming hatte das Gefühl, sie wolle ihm damit sagen, dass sie ihn trotz ihrer
    Auseinandersetzung gern hatte. Kurz bevor sie das ultramoderne Polizeipräsidium erreichten, sagte er: »Es tut mir Leid, dass Sie sich mit meiner Judenliste nicht befreunden können.«
    Tilde blieb stehen und sah ihn an. »Sie sind kein schlechter Mann, Peter«, sagte sie, und er sah verblüfft, dass sie kurz davor stand, in Tränen auszubrechen. »Ihr Pflichtgefühl ist Ihre große Stärke. Aber seine Pflicht zu tun ist nicht das einzige Gesetz.«
    »Ich verstehe nicht ganz, was Sie meinen ...«
    »Das weiß ich«, sagte sie, wandte sich ab und betrat ohne ihn das Gebäude.
    Auf dem Weg in sein Büro versuchte Peter Flemming die Angelegenheit aus der Sicht der Kollegin zu sehen. Wenn die Nazis unbescholtene jüdische Mitbürger festnahmen, so wäre dies ein Verbrechen und seine Liste eine willkommene Hilfe für die Verbrecher. Aber das Gleiche ließ sich auch über eine Pistole oder über ein Auto sagen: Die Tatsache, dass ein Gegenstand von Kriminellen benutzt wurde, hieß nicht, dass es von vornherein verwerflich war, diesen Gegenstand zu besitzen.
    Als er durch den Innenhof ging, wurde er von seinem Vorgesetzten, Polizeirat Frederik Juel, angesprochen.
    »Kommen Sie mit«, sagte Juel scharf. »Wir sind bei General Braun vorgeladen.« Er ging voraus. Seine

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