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Mitternachtsfalken: Roman

Titel: Mitternachtsfalken: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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rührte sich am anderen Ende der Leitung.
    »Wie geht es dir?«, fragte Hermia.
    »Gut, danke«, sagte er schließlich. »Mein Gott, bist du es wirklich?«
    »Ja.«
    »Und geht‘s dir gut?«
    »Ja.« Plötzlich konnte sie das unverbindliche Geschwätz nicht mehr ertragen und fragte abrupt: »Liebst du mich noch?«
    Er antwortete nicht sofort, was bei ihr den Eindruck erweckte, dass seine Gefühle für sie nicht mehr dieselben waren. Er will es mir nicht so direkt sagen, dachte sie. Er wird es mit irgendwelchen Doppeldeutigkeiten versuchen und behaupten, dass wir nach all der Zeit unsere Beziehung neu bewerten müssen, aber er wird mir nichts vormachen können.
    »Ich liebe dich«, sagte er.
    »Wirklich?«
    »Mehr denn je. Du fehlst mir schrecklich.«
    Hermia schloss die Augen. Ein Schwindelgefühl überkam sie, und sie lehnte sich an die Wand.
    »Ich bin so froh, dass du am Leben bist«, sagte er. »Himmel, ist das schön, mit dir zu sprechen.«
    »Ich liebe dich auch«, sagte sie.
    »Was ist los? Wie geht es dir? Von wo aus rufst du an?«
    Sie riss sich zusammen. »Ich bin gar nicht so weit weg.«
    Ihre vorsichtige Zurückhaltung entging ihm nicht, und er antwortete in ähnlichem Ton: »Schon gut, ich hab verstanden.«
    Auf den nächsten Gesprächsabschnitt hatte Hermia sich vorbereitet. »Erinnerst du dich noch an die Burg?« Es gab viele Burgen in Dänemark, doch eine von ihnen hatte für sie beide eine besondere Bedeutung.
    »Die Ruine meinst du? Wie könnte ich die je vergessen?«
    »Können wir uns dort treffen?«
    »Und wie kommst du dahin. egal. Ist das dein Ernst?«
    »Ja.«
    »Es ist weit von hier.«
    »Wir müssen uns treffen – es ist wichtig!«
    »Ich würde noch viel weiter reisen, um dich zu sehen. Ich überlege nur gerade, wie ich es am besten anstelle. Ich werde um Urlaub bitten, doch wenn es Schwierigkeiten gibt, werde ich die Truppe einfach mal unerlaubt verlassen.«
    »Nein, lass das lieber bleiben.« Sie wollte nicht, dass die Militärpolizei ihn suchte. »Wann ist dein nächster freier Tag?«
    »Samstag.«
    Die Dame von der Telefonvermittlung meldete sich: »Noch zehn Sekunden.«
    »Ich bin am Samstag dort – ich hoffe es jedenfalls. Wenn du es nicht schaffst, komme ich, solang es geht, jeden Tag dorthin.«
    »Ich auch.«
    »Pass auf dich auf. Ich liebe dich.«
    »Ich liebe dich.«
    Die Verbindung wurde unterbrochen.
    Hermia presste den Hörer noch eine Weile an ihr Ohr, als könne sie Arne auf diese Weise noch ein bisschen länger bei sich halten. Dann wurde sie gefragt, ob sie noch ein weiteres Gespräch fuhren wolle, verneinte und legte auf.
    Sie bezahlte am Schalter und ging hinaus. Sie war ganz benommen vor Glück. Sie stand in der Bahnhofshalle unter dem hohen Dach, mitten unter den Menschen, die in allen Richtungen an ihr vorbeihasteten. Er liebt mich noch, dachte sie, und in zwei Tagen werde ich ihn sehen! Irgendjemand rempelte sie an. Hermia befreite sich aus dem Gedränge und suchte Zuflucht in einem Cafe, wo sie ermattet auf einen Stuhl sank. Noch zwei Tage!
    Das alte Gemäuer, auf das sie beide angespielt hatten, war die Festungsruine Hammershus, eine Touristenattraktion auf der dänischen Ferieninsel Bornholm in der Ostsee. 1939 hatten sie eine gemeinsame Woche auf Bornholm verbracht und waren dort als Ehepaar aufgetreten. An einem warmen Sommerabend hatten sie sich zwischen den verfallenden Mauern geliebt. Arne würde von Kopenhagen aus die Fähre nehmen – die Überfahrt dauerte sieben bis acht Stunden – oder aber von Kastrup aus fliegen, was nur eine Stunde in Anspruch nahm. Die Insel lag hundertsechzig Kilometer vom dänischen Festland entfernt, aber nur etwa fünfunddreißig von der schwedischen Südküste. Hermia würde daher ein Fischerboot auftreiben müssen, das sie illegal über die Ostsee brachte.
    Aber es war nicht die Gefahr, in die sie sich selbst begab, sondern die Sorge um Arne, die sie nicht zur Ruhe kommen ließ. Er würde sich in Kürze unter konspirativen Umständen mit einer Agentin des britischen Geheimdiensts treffen. Und diese Agentin würde ihn bitten, ein Spion zu werden.
    Wenn man ihn erwischte, erwartete ihn die Todesstrafe.
    A m zweiten Tag nach seiner Festnahme kehrte Harald vom Internat nach Hause zurück.
    Heis hatte ihm gestattet, noch zwei oder drei Tage zu bleiben und die letzten noch ausstehenden Prüfungen zu absolvieren. Man ließ ihn das Abitur machen, schloss ihn aber von der eine Woche später stattfindenden Abiturfeier aus. Das

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