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Mitternachtsfalken: Roman

Titel: Mitternachtsfalken: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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das tun wir«, widersprach Hoare und wandte sich an Hermia. »Sie reisen noch heute Abend nach Stockholm. Ich begleite Sie.«
    »Warum haben Sie das gesagt?«, fragte Hermia ihn am nächsten Vormittag, als sie durch den Goldenen Saal des berühmten Stockholmer Rathauses schlenderten.
    Hoare blieb stehen, um sich ein Wandmosaik näher anzusehen. »Es entspricht dem Wunsch des Premierministers, dass ich bei dieser hochbrisanten Mission so nah wie möglich am Ball bleibe. Und das war mir bekannt.«
    »Aha.«
    »Außerdem habe ich eine Chance gesucht, Sie eine Weile für mich allein zu haben.«
    »Aber Sie wissen doch, dass ich Kontakt mit meinem Verlobten aufnehmen muss. Er ist die einzige vertrauenswürdige Person, die ich kenne, der Einzige, der uns helfen kann.«
    »Ja, das weiß ich.«
    »Und umso schneller werde ich ihn wahrscheinlich aufsuchen.«
    »Das ist mir durchaus recht. Mit einem Mann, der ein paar Hundert Meilen entfernt in einem anderen Land wie in einer Falle sitzt, kann ich nicht konkurrieren – nicht mit einem schweigenden, ungesehenen Helden, an dem Sie durch die unsichtbaren Bande von Treue und Schuldgefühlen in ewiger Zuneigung festhalten. Da ist mir ein Rivale in Fleisch und Blut wesentlich lieber, ein Kerl mit menschlichen Schwächen, der Sie manchmal blöd anredet, Schuppen auf seinem Kragen hat und sich den Hintern kratzt.«
    »Das ist doch kein Wettbewerb!«, erwiderte Hermia empört. »Ich liebe Arne und werde ihn heiraten.«
    »Aber noch sind Sie nicht verheiratet.«
    Hermia schüttelte den Kopf, als wolle sie sich von dem sinnlosen Geschwätz befreien. Ja, es hatte Augenblicke gegeben, da sie Digbys romantisches Interesse an ihr – allen Gewissensbissen zum Trotz – ganz gern gehabt hatte, aber jetzt war es nur noch Ablenkung. Sie und Digby waren nicht als Touristen ins Stadhus gekommen, die die Zeit totschlagen wollten; sie taten nur so. Der Hauptanlass war ein konspiratives Treffen.
    Sie verließen den Goldenen Saal und schritten die breite Marmortreppe hinab, die auf den gepflasterten Hof hinausführte. Durch eine Arkade aus rosafarbenen Granitsäulen gelangten sie in einen Garten, von dem aus sich ein weiter Blick über die grauen Wasser des Mälar-Sees bot. Als sie sich umdrehten, um den hundert Meter hohen Turm zu bewundern, der den roten Klinkerbau krönte, prüfte Hermia, ob ihr Schatten noch in der Nähe war.
    Der gelangweilt wirkende Mann im grauen Anzug und mit den abgetretenen Schuhen machte sich keine Mühe, seine Gegenwart zu verbergen. Als Digby und Hermia in einem auf Holzkohlevergasung umgestellten und von einem Chauffeur gesteuerten Volvo von der Britischen Gesandtschaft abgefahren waren, wurden sie von zwei Männern in einem schwarzen Mercedes 230 verfolgt. Und als sie vor dem Stadhus ausgestiegen waren, hatte sich der Mann im grauen Anzug an ihre Fersen geheftet.
    Nach Auskunft des britischen Luftwaffenattaches behielt eine Gruppe von deutschen Agenten alle britischen Bürger in Schweden unter ständiger Beobachtung. Man konnte sie zwar abschütteln, doch war es nicht empfehlenswert. Sich von seinem Schatten zu befreien, galt als Eingeständnis der Schuld. Personen, die sich der Überwachung entzogen, waren festgenommen und der Spionage bezichtigt worden, und die schwedischen Behörden wurden unter Druck gesetzt, die betreffenden Leute auszuweisen.
    Hermia musste daher ihrem Schatten entkommen, ohne dass der Schatten es überhaupt mitbekam.
    Nach einem vorher abgesprochenen Plan spazierte sie mit Digby Hoare durch den Garten. Hinter dem Gebäude bogen sie um eine Ecke, um das Ehrengrabmal des Stadtgründers Birger Jarl zu besichtigen. Der vergoldete Sarkophag lag in einem Grab, das von einem auf vier Säulen ruhenden Baldachin überwölbt war. »Wie ein Himmelbett«, sagte Hermia.
    Auf der anderen Seite des Grabmals stand in einem versteckten Winkel eine Schwedin von gleicher Größe und Figur wie Hermia. Auch die dunklen Haare waren ähnlich.
    Hermia sah die Frau fragend an, worauf diese entschlossen nickte.
    Ein Anflug von Furcht überkam Hermia. Bisher hatte sie nichts Illegales getan, und ihr Besuch in Schweden war genauso harmlos, wie er schien. Doch in diesem Augenblick überschritt sie zum ersten Mal in ihrem Leben die Grenze zum Unerlaubten.
    »Schnell«, sagte die Frau auf Englisch.
    Hermia schlüpfte aus ihrem leichten Sommermantel und nahm die rote Baskenmütze ab. Die Frau schlüpfte in den Mantel und setzte die Mütze auf. Hermia zog aus ihrer Tasche

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