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Mitternachtsfalken: Roman

Titel: Mitternachtsfalken: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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schlummerte Harald ein. Sein letzter Gedanke war noch, dass er weniger Angst davor hatte, selbst verletzt zu werden, als davor, seinen Vater leiden zu sehen.
    Eine Stunde später wurde er unsanft geweckt.
    Die Tür flog auf, das Licht ging an, und der Pastor stand neben dem Bett, in voller Kleidung, die Hände in die Hüften gestemmt, das Kinn vorgereckt. »Wie konntest du so etwas tun?«, brüllte er.
    Harald setzte sich auf und blinzelte seinen Vater an – groß, kahlköpfig, ganz in Schwarz und in den blauen Augen jener durchdringende Blick, mit dem er die ganze Gemeinde in Angst und Schrecken versetzen konnte.
    »Was hast du dir dabei bloß gedacht?«, tobte sein Vater. »Was ist da nur in dich gefahren?«
    Harald wollte sich nicht wie ein Kind in seinem Bett verkriechen. Also warf er die Decke ab und stand auf. Des warmen Sommerwetters wegen hatte er in der Unterhose geschlafen.
    »Bedecke dich, Knabe!«, befahl der Pastor. »Du bist fast nackt!«
    Die Unvernunft dieser Kritik veranlasste Harald zu einer Widerrede: »Wenn dich der Anblick von Unterwäsche stört, dann solltest du kein Schlafzimmer betreten, ohne vorher anzuklopfen.«
    »Anklopfen? Willst du damit sagen, ich soll in meinem eigenen Hause anklopfen?«
    Harald beschlich die altvertraute Erkenntnis, dass sein Vater nie um eine Antwort verlegen war. »Schon gut«, sagte er mürrisch.
    »Was, zum Teufel, ist nur in dich gefahren?«, wiederholte der Pastor. »Wie konntest du nur solche Schande über dich, deine Familie, deine Schule und deine Kirche bringen?«
    Harald streifte sich seine Hose über und sah seinem Vater wortlos in die Augen.
    »Nun?«, röhrte der Pastor. »Willst du mir nicht Rede und Antwort stehen?«
    »Oh, es tut mir Leid, ich dachte, die Fragen wären rein rhetorischer Natur«, sagte Harald und wunderte sich selbst über seinen kühlen Sarkasmus.
    Die Wut seines Vaters kannte keine Grenzen. »Der junge Herr spielt den Gebildeten? Untersteh dich, auf diese freche Art mit mir zu streiten! Auch ich bin Jansborg-Absolvent!«
    »Ich will mich gar nicht mit dir streiten. Ich möchte nur gerne wissen, ob es überhaupt eine Chance gibt, dass du mir mal zuhörst.«
    Der Pastor hob die Hand wie zum Schlag. Es wäre echt eine Erleichterung, dachte Harald, als sein Vater zögerte. Egal ob ich mich bloß schlagen lasse oder zurückschlage – Gewalt wäre auf jeden Fall eine Art Lösung des Problems.
    Aber so leicht wollte es sein Vater ihm nicht machen. Er ließ die Hand wieder sinken und sagte: »Nun gut, ich höre zu. Was kannst du zu deinen Gunsten vorbringen?«
    Harald sammelte seine Gedanken. Im Zug hatte er viele Versionen seiner Verteidigungsrede geprobt, darunter einige sehr eloquente. Doch inzwischen hatte er alle rhetorisch brillanten Wendungen schlichtweg vergessen. »Es tut mir Leid, dass ich den Wachposten beschmiert habe, denn es war nur eine leere Geste, eine kindische Trotzreaktion, sonst nichts.«
    »Na, wenigstens das!«
    Einen Augenblick lang erwog er, seinem Vater von seiner Verbindung zum dänischen Widerstand zu erzählen, schlug sich den Gedanken aber ebenso schnell wieder aus dem Kopf, zumal es nach Pouls Tod völlig unklar war, ob es überhaupt noch eine dänische Widerstandsbewegung gab.
    Stattdessen konzentrierte er sich auf persönliche Dinge: »Es tut mir Leid, dass ich Schande über meine Schule gebracht habe, denn Heis ist 202 ein netter Mann. Es tut mir Leid, dass ich mich betrunken habe, weil es mir am Morgen danach furchtbar schlecht gegangen ist. Vor allem aber tut es mir Leid, dass ich meiner Mutter solchen Kummer gemacht habe.«
    »Und deinem Vater?«
    Harald schüttelte den Kopf. »Du ärgerst dich darüber, dass Axel Flemming Wind von der Sache bekommen hat und dir das nun genüsslich unter die Nase reibt. Dein Stolz ist verletzt. Ob du dir tatsächlich meinetwegen Gedanken machst, kann ich nicht sagen.«
    »Stolz?«, brüllte der Pastor. »Was soll denn das damit zu tun haben? Ich habe versucht, meine Söhne zu anständigen, nüchternen, gottesfürchtigen Männern zu erziehen – und du hast mich bitter enttäuscht.«
    Harald reagierte zunehmend gereizt. »Hör mal, so groß ist diese ›Schande‹ nun auch wieder nicht. Die meisten Männer betrinken sich.«
    »Aber nicht meine Söhne!«
    ». zumindest einmal in ihrem Leben.«
    »Aber dich hat man festgenommen!«
    »Das war bloß Pech.«
    »Das war schlechtes Benehmen!«
    »Man hat mich doch nicht einmal angeklagt. Der Polizist hielt das, was ich getan

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