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Mitternachtsfalken: Roman

Titel: Mitternachtsfalken: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Leute sind selber schuld, wenn sie in Schwierigkeiten geraten«, sagte Peter in altklugem Ton. »Euer Vater hätte seiner Schwester niemals erlauben dürfen, einen Juden zu heiraten.« Er warf die Zeitung auf den Boden und entfernte sich.
    Harald war wie vor den Kopf geschlagen, sodass ihm im ersten Moment keine Antwort einfiel. Er bückte sich und hob die Zeitung auf. Dann rief er Peter nach: »Du klingst ja schon selbst wie ein Nazi!«
    Peter ignorierte ihn. Durch den Kücheneingang verschwand er im Haus und warf die Tür hinter sich zu.
    Harald spürte, dass er den Kürzeren gezogen hatte. Das ärgerte ihn maßlos, denn er wusste genau, dass Peters Bemerkungen unerhört waren.
    Als er zur Straße zurückging, brach ein Platzregen los. Das Feuer im Heizkessel seines Motorrads war erloschen. Um es wieder anzuzünden, knüllte er Virkligheden zusammen. Eine Schachtel Zündhölzer hatte er dabei, nicht jedoch den Blasebalg, mit dem er das Feuer vor seiner Abfahrt angefacht hatte. Zwanzig Minuten lang bemühte er sich im strömenden Regen vergeblich, sein Fahrzeug in Gang zu setzen, dann gab er auf. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als zu Fuß nach Hause zu gehen.
    Er klappte den Jackenkragen hoch und schob das Motorrad den knappen Kilometer bis zum Hotel, wo er es auf dem kleinen Parkplatz abstellte. Dann ging er zum Strand hinunter. Um diese Jahreszeit, drei Wochen vor Mittsommer, sind die Tage in Skandinavien lang; die Nacht beginnt erst gegen elf Uhr abends. Heute jedoch verdunkelten tief hängende Wolken den Himmel, und der Gewitterregen schränkte die Sicht zusätzlich ein. Harald orientierte sich am Dünenrand, achtete auf die Beschaffenheit des Sandes unter seinen Füßen und das Rauschen der Brandung zu seiner Rechten. Schon nach kurzer Zeit war seine Kleidung so durchweicht, dass er ebenso gut auch nach Hause hätte schwimmen können.
    Er war ein kräftiger junger Mann und fit wie ein Windhund. Doch als er nach zwei Stunden den Zaun des neuen deutschen Stützpunkts erreichte, war er müde, schlotterte vor Kälte und fühlte sich elend. Bis zu seinem Elternhaus waren es nur noch ein paar Hundert Meter Luftlinie – doch dazwischen lag das Militärgelände, und das bedeutete einen Umweg von viereinhalb Kilometern.
    Bei Ebbe hätte er keine Hemmungen gehabt, weiter draußen am Strand seinen Weg fortzusetzen. Der Abschnitt vor dem Stützpunkt war zwar offiziell militärisches Sperrgebiet, doch hätten die Wachmannschaften bei diesem Wetter niemanden erkennen können. Bei der herrschenden Flut sah es jedoch anders aus: Der Zaun reichte bis ins Wasser. Harald überlegte, ob er das letzte Stück schwimmend hinter sich bringen sollte, verwarf den Gedanken aber ebenso schnell, wie er gekommen war. Wie alle Bewohner dieser Fischergemeinde hatte er einen gesunden Respekt vor der See. Es war einfach zu gefährlich, nachts und bei solchem Wetter im Meer zu schwimmen, zumal er ohnehin schon erschöpft war.
    Aber es gab eine andere Möglichkeit: Er konnte über den Zaun klettern.
    Der Regen hatte ein wenig nachgelassen. Zwischen dahinfliegenden Wolken zeigte sich ab und zu ein Viertel voller Mond und tauchte die wassergesättigte Landschaft in ein ungewisses Licht. Der knapp zwei Meter hohe Zaun bestand aus einem feinmaschigen Drahtgeflecht, über das zwei Reihen Stacheldraht gespannt waren – ein ernst zu nehmendes, aber für einen entschlossenen jungen Mann in guter körperlicher Verfassung nicht unüberwindliches Hindernis. Fünfzig Meter weiter landeinwärts verschwand der Zaun in einem kleinen Gebüsch – der ideale Ort, ungesehen hinüberzuklettern.
    Harald wusste, was ihn hinter dem Zaun erwartete. Er hatte im vergangen Sommer auf der Baustelle gearbeitet. Dass es sich um eine militärische Einrichtung handelte, hatte er damals nicht geahnt. Die Baufirma, ein Unternehmen aus Kopenhagen, hatte überall verbreitet, dass auf dem Gelände ein neuer Posten der Küstenwache errichtet werde. Hätte man die Wahrheit gesagt, wäre es schwierig geworden, genügend Arbeitskräfte zu bekommen, denn viele Kandidaten, darunter auch Harald, hätten niemals auch nur einen Finger für die Nazis gerührt. Als die Gebäude standen und der Zaun errichtet war, hatte man alle Dänen fortgeschickt und die technischen Einrichtungen ausschließlich von Deutschen installieren lassen. Den Grundplan des Geländes hatte Harald allerdings noch im Gedächtnis. Die ehemalige Seefahrtschule war renoviert worden und wurde nun beiderseits von

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