Mitternachtsfantasie
dafür gegeben, dort mitten drin zu sein. Aber sie wusste, dass sie nicht mehr willkommen war, seit sie ihren Mund zu weit aufgerissen hatte.
Ein Mann holte eine Kettensäge aus seinem Wagen und ging damit zu dem Baum, der die Einfahrt blockierte. Als er die Säge anließ, fing Maurice an zu jaulen, befreite sich aus Effies Armen und suchte sich eine sichere Stelle unter der Veranda.
Effie verzog das Gesicht. Dann beschlich sie plötzlich Angst, denn Rosemary kam über die Straße auf sie zu.
Effies Begrüßung war nicht unbedingt freundlich. Es war schwer, freundlich zu jemandem zu sein, der über die Leichen Bescheid wusste, die man im Keller hatte. „Rosemary.“
Rosemary nickte.
„Willy kommt nachher wieder nach Hause. Sie hat eine leichte Gehirnerschütterung und einen verstauchten Knöchel. Wir werden tagsüber Hilfe brauchen, wenn Amelia arbeitet, und ich habe mich gefragt, ob Sie vielleicht daran interessiert wären. Sie haben doch früher für Mrs Abercrombie gearbeitet, nachdem ihr Mann gestorben war.“
Effie war verblüfft. „Sie wollen mich bei sich im Haus haben?“
„Nur tagsüber. Wir könnten nicht viel zahlen, aber …“
„Ich mache es gern“, sagte Effie. „Und ich will keine Bezahlung. Wofür sind Nachbarn denn sonst da? Und es ist ja nicht so, als wäre Wilhemina ans Bett gefesselt.“
Rosemary strahlte. „Gut. Amelia wird morgen wieder in die Bibliothek gehen. Dann sehen wir uns um acht?“
Effie versuchte, sich ihre Freude nicht zu sehr anmerken zu lassen. Immerhin war es nicht anständig, sich über das Missgeschick von anderen zu freuen. Aber es war doch aufregend, dass sie ein paar Tage lang andere Gesellschaft haben würde als nur die von Maurice. Sie hatte immer Wilheminas Kuchenrezepte haben wollen. Vielleicht konnte sie die jetzt bekommen. Dann erinnerte sie sich an Wilheminas scharfen Blick letzten Sonntag beim Gottesdienst und beschloss, lieber erst mal zu sehen, wie die Dinge sich entwickelten, bevor sie nach den Rezepten fragte.
Tyler sah Amelia aus dem Haus kommen und winkte. „Amelia! Hier drüben, Darling!“
Amelia wurde rot. Es war ihr peinlich, dass er sie vor den anderen Männern Darling nannte. Andererseits freute es sie auch.
Er legte einen Arm um ihre Schultern und deutete auf den Angestellten der Versicherung, der gerade die Leiter herunterstieg.
„Wie sieht es aus?“, fragte Amelia.
Der Mann wischte sich die Hände ab. „Nicht schlecht. Der größte Schaden ist dort, wo der Baum aufgeprallt ist. Gut, dass Ihr Auto nicht dichter am Haus stand. Sonst wäre es auch beschädigt worden.“
Tyler lächelte Amelia zu. „Sie hat sich dieses Auto schwer verdient. Es wäre eine Schande, wenn es was abbekommen hätte, nach allem, was sie durchgemacht hat.“ Tyler zerzauste ihr Haar, bevor er dem Versicherungsangestellten half, die Leiter wieder in dessen Auto zu verstauen.
Amelia war erschrocken zusammengefahren und überlegte, worauf Tyler angespielt haben könnte. Falls er etwas von ihrem Doppelleben wusste, hätte er das doch sicher schon früher erwähnt, oder?
Nervös sah sie zu ihm hinüber und vergaß, was sie gerade gedacht hatte. Als Tyler die Leiter anhob, konnte sie deutlich die Bewegung seiner Muskeln unter dem Hemd erkennen, und das erinnerte sie daran, wie er sie in den Armen gehalten hatte. Sie glaubte noch immer seine Lippen auf ihrem Mund und auf ihrem Körper zu fühlen. Amelia erschauerte, als sie sich an Tylers heißen erregten Körper erinnert und daran, wie seine Hände ihren erforscht und gestreichelt hatten – und wie es war, ihn ganz tief in sich zu spüren. Bei diesem Gedanken wäre sie vor Schreck fast in Tante Rosies Blumenbeet gefallen.
Rosemary schnappte nach Luft. „Amelia! Pass auf! Wo bist du bloß mit deinen Gedanken? Dieses Beet ist seit Jahren an dieser Stelle.“ Sie bückte sich und schob rasch etwas Erde an ihren Platz zurück.
„Tut mir leid, Tante Rosie.“
Amelia sah, dass Tyler auf sie zukam, und aus einem unerfindlichen Grund wurde sie nervös.
„Also“, begann Tyler. „Sobald …“
„Wir kommen damit klar“, unterbrach Amelia ihn. „Wir wollen dich nicht länger mit unseren Angelegenheiten belästigen.“
Es war offensichtlich, dass er schockiert war. Amelia hätte sich am liebsten die Zunge abgebissen, aber es war zu spät. Sie hatte Tyler bereits beleidigt.
Er kniff die Augen zusammen. „Glaubst du, es ist mir lästig, jemandem zu helfen, der mir etwas bedeutet?“
„So habe ich das
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