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Mitternachtskinder

Mitternachtskinder

Titel: Mitternachtskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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neben mir kreischte etwas, und ich sah riesige, samtschwarze Augen vor mir emporsteigen. Ich schüttelte die Zweige in seine Richtung, und es kreischte erneut, ganz ähnlich wie Nuala, ehe es sich davonschlich. Vor mir sah ich Gestalten um Sullivan herumtanzen, sie sprangen auf ihn zu und wichen wieder zurück.
    Von dem Gebäude war ich nur noch wenige Schritte entfernt, als ein Umriss direkt vor mir aus dem Boden schoss, so dass ich mit den Armen rudern musste, um nicht zu stürzen. Die Gestalt war klein, leicht und hungrig.
    Linnet.
    »O Gott«, sagte ich und taumelte rückwärts. »Sie sind tot.«
    Sie schwebte ein Stückchen über dem Boden. Als ich sie nach dem ersten Schock richtig betrachtete, staunte ich darüber, dass ich Linnet überhaupt erkannt hatte. Denn sie sah eigentlich gar nicht aus wie sie selbst. Sie war eine Wolke aus blassem, giftigem Gas, gierig und faulig.
    »Halt dich aus Dingen heraus, die du nicht begreifst«, zischte Linnet. »Geh zu den Feuern zurück. Überlass die Sache denen, die etwas davon verstehen.«
    Und das von der Frau, die mich in Englisch am liebsten durchfallen lassen wollte. »Sie kotzen mich an«, gab ich zurück und streckte ihr das schützende Bündel entgegen.
    Sie hatte kein richtiges Gesicht mehr, gab jedoch einen Laut von sich, der wie verächtliches Lachen klang. »Du tust ja nur so.«
    Sullivan riss mich an der Schulter herum und stieß mich unter seinen Umhang. »Aber ich nicht. Das erklärt eine Menge, Linnet. Ich hoffe von ganzem Herzen, dass Sie in der Hölle verrotten werden.« Er schubste mich die letzten Schritte zur Tür vor sich her und wies auf seinen Umhang. »Du solltest doch Schwarz tragen, James.«
    Das Gebäude wirkte immer noch leer – dunkel und still. Wir standen vor der roten Tür. Der einzigen roten Tür auf dem Schulgelände. Und aus irgendeinem Grund fühlte ich mich in dieses Kino zurückversetzt, in dem Nuala mir erzählt hatte, dass jeder rote Gegenstand in
The Sixth Sense
auf eine übernatürliche Präsenz in der Szene hinwies.
    Ich schüttelte den Saum von Sullivans Umhang ab und legte die Hand an die Tür. Meine Haut spannte sich und prickelte, als ich eine Gänsehaut bekam.
    Ich schob die Tür auf.
     
    »James!«, rief Eleanor. »Ich bin sehr enttäuscht, dich hier zu sehen. Ich hatte gehofft, die wahre Liebe würde siegen.«
    Es dauerte einen Augenblick, bis ich sie im Saal fand, denn der war voller Feen. Die Klappstühle waren durcheinandergeworfen, an einer Wand entlang häuften sich Blumen. Zwei Körper lagen vor uns, mit grünen Händen und Gesichtern. Eleanor stand in einem Kleid aus Pfauenfedern neben der Bühne. Freundlich lächelte sie mich an. Ihre Ärmel waren hochgerollt, und von einer Hand liefen rote Rinnsale über ihren Arm und verfärbten den Ärmelaufschlag.
    In der Hand hielt sie ein Herz.
    Und es schlug.
    Ich vergaß, dass Sullivan hinter mir stand. Ich vergaß alles bis auf Dees Schreie.
    »Wenn das Dees Herz sein sollte«, sagte ich und stieg über einen der grünen Körper hinweg, »dann werde ich sehr böse.« Die Feen, von denen mehrere beinerne Dolche am Gürtel trugen, wichen vor mir beiseite und beobachteten mich neugierig, als ich durch den Saal schritt. Ein paar von ihnen lächelten und wechselten Blicke.
    »Sei nicht albern«, erwiderte Eleanor. »Das ist seines.« Mit einer nachlässigen Geste wies sie auf die Bühne hinter sich. Darauf lag ihr Gefährte – der
tote
Gefährte aus den Hügeln – inmitten eines dunklen, staubigen Kreises auf dem Boden. Er stöhnte und bäumte sich krampfhaft auf. Aus einer klaffenden Wunde mitten auf seiner Brust sickerte schwarzes Blut.
    Ich gönnte Eleanor nicht die Befriedigung, zu sehen, wie angewidert ich war, also biss ich die Zähne zusammen und erwiderte ihren Blick. »Ja. Er scheint sich prächtig zu amüsieren. Wo ist Dee?«
    Eleanor lächelte so hübsch, dass meine Sicht an den Rändern zu verschwimmen begann. Sie strich sich das helle Haar aus dem Gesicht, wobei sie sich einen roten Fleck auf die Wange schmierte, und deutete vor sich auf den Boden. Sofort erkannte ich die Krümmung von Dees Schultern und ihre klobigen Schuhe. Eleanor zuckte mit den Achseln. »Eigentlich tun wir ihr einen Gefallen. Sie ist nicht sonderlich belastbar, nicht wahr? Nachdem Siobhan Karre das Herz herausgeschnitten hatte, hat Deirdre sich gleich auf meine Schuhe übergeben.« Eleanor wies mit dem Herzen auf ein Paar grüner Pantoffeln unter einem Stuhl. »Ich musste leider

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