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Mitternachtskinder

Mitternachtskinder

Titel: Mitternachtskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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erzählen.«
    Nuala sah mich an. »Sie ist ein Mensch«, flüsterte sie.
    »O nein, Ma’am.« Sullivans Stimme erreichte etwa zwanzig Grad minus. »Drohen Sie mir nicht. Ich habe schon so viel Schlimmere kennengelernt als Sie.« Eine Pause, leises Scharren. »Sie gehen nirgendwohin, bevor Sie mir nicht gesagt haben, wie Sie dazu kommen,
sie
direkt hinter dem Wohnheim meiner Jungs zu beschwören. Und erzählen Sie mir keinen Mist von wegen Camping oder Heilkräutern. Ich weiß Bescheid. Ich
weiß
es.«
    »Das geht Sie nichts an. Wenn Sie tatsächlich irgendetwas über
sie
wissen, dann wissen Sie auch, dass es besser für Sie wäre, Ihre Nase nicht dort hineinzustecken, wo sie Ihnen abgehackt werden könnte.«
    Delia,
dachte ich plötzlich, und Nuala schaute mich stirnrunzelnd an, da sie den Namen nicht kannte.
Dees Tante. Jetzt erkenne ich ihre Stimme. Die Feen haben ihr vor langer Zeit das Leben gerettet, und seither hilft sie ihnen.
    Nuala zog scharf die Augenbrauen hoch.
    »Sagen Sie mir nicht, was gut für mich ist. Ich habe die letzten beiden Jahre meines Lebens geopfert, um dafür zu sorgen, dass diese Kinder nicht durchmachen müssen, was ich durchgemacht habe.« Sullivans Stimme war ein Knurren. »Aber die ganze Zeit über wäre ich nicht im Traum darauf gekommen, dass ihnen Gefahr von einem Menschen drohen könnte. Und jetzt
sagen … Sie … mir,
was Sie hier wollen.«
    Delia klang eisig. »Na schön. Ich habe nur die Musik hier als Unterstützung benutzt, um jemanden von den
Daoine Sidhe
herbeizurufen. Einer von denen schuldet mir einen Gefallen.«
    »Sie halten mich wohl für ungeheuer leichtgläubig.«
    »Ich halte Sie eher für ausgesprochen verletzlich.« Eine lange Pause folgte, und ich fragte mich, was auf der anderen Seite der Tür vor sich ging. »Sie sehen aus wie jemand, der eine Menge zu verlieren hat, und ich kenne gewisse Individuen, die Ihnen nur zu gern dabei helfen würden, alles zu verlieren.«
    Grimmig entgegnete Sullivan: »Da irren Sie sich. Ich bin wunderbar frei und werde nicht durch Bindungen und angehäufte Besitztümer behindert wie die meisten Menschen. Das verdanke ich Ihren Freunden. Für Sie kann es allerdings sehr unangenehm werden, wenn Sie mir jetzt nicht verraten, was Sie hier wollen.«
    »Ich erweise der neuen Königin gewisse Gefälligkeiten«, fauchte Delia. »Unterstütze
ihre
Pläne, tue das, wozu sie selbst nicht in der Lage sind.«
    »Neue Königin?« Sullivans Stimme hörte sich plötzlich dünn an. »Eleanor?«
    Mir blieb das Herz stehen. Woher kannte Sullivan ihren Namen?
    »Ja, Eleanor. Ich tue etwas für sie, und sie tut etwas für mich. Eine Hand wäscht die andere.«
    »Warum ist sie hier?«, fragte Sullivan angespannt.
    Schweigen. Folgte darauf ein Nicken oder ein Kopfschütteln, das wir nicht sehen konnten? Oder einfach nichts?
    Dann hörte ich wieder Sullivan, der beunruhigt wirkte. »Wir haben ein Kleeauge hier?«
    Delia lachte. »Und
Sie
sollen diese Kinder schützen! Sie wissen ja nicht das Geringste.«
    »Wer ist es?«, fragte Sullivan fordernd.
    Eine Minute lang blieb es still, und dann machten Nuala und ich einen Satz rückwärts, als die Tür donnernd in den Angeln bebte.
    Ich erkannte Sullivans Stimme kaum, als er knurrte: »Ich habe eine von
ihnen
getötet, und ich bin sicher, bei einem Menschen wäre das noch viel leichter.
Reizen
Sie mich nicht.«
    Delia sprach langsam und ungerührt, und ihre Worte troffen vor Gift. »Nimm die Hände von mir, Bursche.«
    Die Tür bebte erneut.
    »Ich werde Ihnen nur eines sagen«, erklärte Delia mit seltsam gedämpfter Stimme. »Also hören Sie gut zu. Sie wollen das, was
sie
auch wollen. Sie wollen, dass
sie
aus der Menschenwelt verschwinden, und
sie
wollen uns aus ihrer Welt vertreiben. Ich töte jede Fee, die mit Menschen zu schaffen hat, und
sie
werden jeden Menschen töten, der sich mit Feen einlässt. Ja, ein paar von Ihren
Kindern
«, sagte sie voller Verachtung, »könnten sterben. Aber langfristig betrachtet, wäre es sehr dumm von Ihnen, sich einzumischen.«
    Sullivan klang wieder wie er selbst. »Warum? Warum jetzt?«
    »Wenn Sie Eleanor kennen würden, müssten Sie wissen, dass man
sie
nicht nach ihren Gründen fragt«, entgegnete Delia. »Und, hören Sie sie kommen? Es würde ihnen nicht gefallen, wenn sie sehen müssten, wie Sie mich bedrängen. Ja, ich an Ihrer Stelle hätte mich jetzt auch losgelassen.«
    »Ich will Sie nie wieder irgendwo auf dem Schulgelände sehen.«
    »Keine Sorge, Sie

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