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Mitternachtskinder

Mitternachtskinder

Titel: Mitternachtskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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sehen mich sicher nicht wieder.«
    Dann herrschte Schweigen. Nuala und ich wichen in die Dunkelheit zurück und warteten darauf, dass Sullivan hereinkam. Aber die Tür blieb geschlossen und Sullivan mit seinen Geheimnissen dahinter.
    Neue Textnachricht
    An:
    James
     
    Ich gehöre nicht hierher. Ich gehöre zu ihnen. Sie sind aus musik gemacht u. ich auch. Ich gehöre zu luke. Er hat mir gestern nacht gesagt, dass er mich liebt. Das hat so gutgetan. Er ist so seltsam u. hell, dass ich mich manchmal erinnern muss, wie er aussah.
     
    Absender:
    Dee
     
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    Nachricht wird 30  Tage gespeichert.

[home]
    James
    E s stellte sich heraus, dass Paul und ich die dümmsten intelligenten Menschen waren, die es je gegeben hatte, weil wir das verdammte Stück nicht umsetzen konnten. Wir hatten Megan dabei, und Eric war da und lümmelte sich auf einem Stuhl, während er auf seinen Einsatz wartete. Ich hatte Sullivan gesagt, dass wir ihn noch nicht brauchten, und das war nur gut, denn es gelang uns überhaupt nichts, außer uns total zum Affen zu machen.
    Megan, die am Flügel saß, blickte stirnrunzelnd auf ihren Text. Das Rollenheft in ihrer Hand war ganz zerknittert, was mich verrückt machte, aber ich versuchte, mich zu konzentrieren und zuzuhören, während sie ihren Text vortrug. Sie redete mit mir, sah mich aber nicht an, weil sie noch kein bisschen Text auswendig konnte. Sie las alles ausdruckslos ab und verlieh jedem Wort dieselbe Betonung, so dass alles einen klanglosen Singsang ergab: »ZaubertricksLeonKleineKunststückchenDasistalles.«
    Ich trat von einem Fuß auf den anderen. »Warum ist die Bühne so klebrig? Fühlt sich an, als hätte jemand einen Krug Honig getrunken und sich dann hier oben übergeben. Und vielleicht auch noch draufgepinkelt.«
    »Das ist nicht dein Text!«, sagte Paul.
    »Ach, wirklich«, bemerkte Eric. Er war mürrisch, weil wir noch nicht bis zu einer Szene gekommen waren, in der eine seiner beiden Figuren drankam.
    »Und der blöde Flügel stört mich echt«, meinte ich und schaute an Megan vorbei zu dem schwarzen Ungetüm. »Meint ihr, wir können ihn zur Seite schieben, wenn es sein muss? Er nimmt uns viel zu viel Platz weg.«
    »Warum jammerst du ständig über den Flügel?«, wollte Megan wissen.
    »Er sollte nicht so im Mittelpunkt stehen. Wir brauchen ihn sowieso nur in den Szenen, in denen Paul nicht Oboe spielen kann. Er
steht im Weg

    »Das
ist doch egal
«, erwiderte Megan. Sie wedelte mit dem zerknitterten Manuskript herum – Herrgott, das machte mich wahnsinnig, warum konnte sie nicht ordentlich damit umgehen? – und starrte mich an. »Können wir jetzt weitermachen?«
    Paul zuckte mit den Schultern. »Lies die letzte Textstelle noch mal.«
    Ich fand, sie hätte sie etwa zehnmal sprechen müssen, bis sie sich hoffentlich wie ein Mensch und nicht wie eine weibliche Automatenstimme anhörte. Aber einmal mehr war zumindest ein Anfang.
    Erneut klappte Megan das verdammte Heft auf und wiederholte: »ZaubertricksLeonKleineKunststückchenDasistalles.«
    Ich brauchte nicht in den Text zu schauen, kam mir aber blöd dabei vor, Megan ins Gesicht zu sehen, wenn ich sie ansprach. Also starrte ich auf ihren Scheitel, während sie auf ihr zerknittertes Skript sah. »Ich war dort, Anna. Ich habe ihm dabei zugesehen. Wir sind beschissen.«
    »Das steht nicht im Text!«, rief Paul.
    »Ach, wirklich«, bemerkte Eric. »Aber es stimmt.«
    »Ich habe Hunger.« Pauls Stimme klang flehentlich. Ich hatte allen etwas vom Chinesen versprochen, wenn sie für die Probe das Abendessen im Speisesaal ausfallen ließen.
    Ich wollte
Automat
auf meine Hand schreiben, griff aber stattdessen in die Tasche und holte Nualas Stein heraus. Hektisch rieb ich daran herum, während ich in meinen Text starrte und herauszufinden versuchte, warum sich das alles so kolossal dumm anfühlte. »Es gibt kein Essen, bis Eric mindestens seine erste Szene hatte. Das Stück ist nur eine halbe Stunde lang, Herrgott noch mal.«
    Die Tür quietschte, und wir alle schauten schuldbewusst auf, als wären wir bei etwas Schlimmerem ertappt worden als einer miserablen Probe für ein Stück voller Metaphern. Ich beobachtete, wie Paul mit lautlosen Lippenbewegungen »Verdammt heiß« zu mir sagte, und merkte erst einen Moment später, dass es Nuala war, die durch die rote Tür des Gebäudes eintrat.
    Nuala schritt den Mittelgang zwischen den Klappstühlen

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