Mitternachtsmorde
Lacey und legte den Hörer auf. Byron hatte ein Motelzimmer in Pekesville gemietet, damit er nicht so weit zu fahren hatte, aber im Moment waren sie bei ihr zu Hause. Edward war, wie nicht anders zu erwarten, in irgendeiner Bar. Er kam selten vor Mitternacht nach Hause, und falls er zufällig heimkommen sollte, während Byron noch da war, scherte sie das auch nicht mehr. Sie war mit Byron im Wohnzimmer, und beide waren angezogen, aber selbst wenn Edward sie nackt im Bett erwischen würde, kümmerte sie das nicht. Er bedeutete ihr nichts, im wahrsten Sinn des Wortes gar nichts.
»Sie ist aber dort«, sagte Byron. »Ich habe gesehen, wie sie ins Haus ging.«
»Ich möchte keine Nachricht hinterlassen, die ich nicht erklären kann«, wandte sie besorgt ein. »Das machen Polizisten immer als Erstes, sie hören den Anrufbeantworter ab. Niemand, nicht einmal Knox, würde es ungewöhnlich finden, wenn ich ihn anrufe, aber wenn ich sage: ›Tina, geh bitte ans Telefon‹, dann löst das Fragen aus.«
»Ich weiß. Es war klug von dir, keinen Namen zu nennen. Zu dumm, dass ich ihr Gesicht nicht richtig erkennen konnte, als sie ins Haus ging; sie hatte eine Mütze auf. Ich muss ihre Stimme hören oder sie genauer sehen.«
»Ich könnte natürlich rübergehen und bei ihr anklopfen, aber was ist, wenn mich ein Nachbar sieht?«, fragte Ruth.
»Zerbrich dir deswegen nicht den Kopf.« Er schloss sie in die Arme und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. »Falls wir heute nicht herausfinden, ob es sich bei dieser Tina um Agent Stover handelt, werden sich morgen neue Möglichkeiten eröffnen.«
»Ich weiß nicht, ob ich noch lange warten kann.« Tränen traten ihr in die Augen. »Doch, ich kann. Ich werde so lange warten, wie es nötig ist. Es tut mir leid, dass ich dir keine größere Hilfe sein kann.«
»Du hast mir mehr geholfen, als du dir vorstellen kannst.« Er betrachtete sie mit zärtlichem Blick und nahm ihr Gesicht in beide Hände. Behutsam wischte er mit dem Daumen die Tränen weg, die durch ihre Wimpern quollen, und küsste sie dann auf den weichen Mund.
Ruth presste ihren Kopf an seine Schulter. Vor einer Woche noch war sie in ihrer Verzweiflung gefangen gewesen, aber seit sie auf dem Friedhof Byron begegnet war, fühlte sie sich wie neu geboren. Er hatte ihr gestanden, dass er beobachtet hatte, wie sie am Montagmorgen an Rebeccas Grab gestanden und mit Knox geredet hatte – obwohl er natürlich nicht gewusst hatte, wer Knox war –, und er war am nächsten Tag mit einem Hauch der Hoffnung dorthin zurückgekehrt, weil er sie unbedingt wiedersehen wollte. Sie war tatsächlich am nächsten Tag wiedergekommen, weil die Unterhaltung mit Knox den Schmerz zu neuem Leben erweckt hatte und sie das Bedürfnis spürte, ihrem toten Kind nahe zu sein. Dann hatte Byron sie angesprochen und ehe sie sich versah, hatte sie mit ihm Kaffee getrunken, und schon wenige Stunden später war er ihr Geliebter.
Es war gleichermaßen begeisternd wie beängstigend, wie schnell ein Ereignis das andere jagte.
Als Byron ihr erzählte, dass er ein Polizist aus der Zukunft sei, den man in die Vergangenheit geschickt hatte, um eine Mörderbande zu fassen, die versuchten, die Erfindung der Zeitreisen zu verhindern, war ihr fast das Herz gebrochen. Ihr Herz, das sich nach Zuneigung verzehrt hatte, hatte sich ihm ohne zu zögern geöffnet, und nun musste sie erkennen, dass er unter paranoider Schizophrenie litt. Sie war in Tränen ausgebrochen und er in schallendes Gelächter.
»Ich werde es dir beweisen«, hatte er ihr mit einem trägen Lächeln versprochen, und das hatte er getan. Er war noch am selben Abend mit ihr aufs Land gefahren, wo er ihr einige seiner Waffen vorgeführt und sie dann seinem Partner McElroy vorgestellt hatte, einem Mann mit kühlem Blick, der alles bestätigte, was Byron ihr erzählt hatte. Anschließend hatte McElroy ihre letzten Zweifel ausgeräumt, indem er etwas anlegte, das sie »Manschetten« nannten, jeweils eine an jedes Hand- und Fußgelenk, und sich daraufhin … einfach in Luft auflöste. Komplett. Direkt vor ihren Augen.
Auch da hatte Byron ihre Stirn geküsst und sie an seine Brust gedrückt. »Ich brauche Hilfe«, sagte er. »Wenn wir den Mörder aufhalten können, dann zeige ich dir, wie du an den Tag vor dem Tod deiner Tochter zurückkehren kannst.«
»Ich will das nicht noch einmal durchleben.« In ihren Augen hatte nackter Schmerz gestanden.
»Nein, nein. Du kehrst mit deinem heutigen Wissen zurück, du
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