Mitternachtsmorde
nicht die Sicherheit der Nation auf dem Spiel, und sie würde nicht zulassen, dass Knox die Verantwortung auf sich nahm.
Ob sie ihm helfen konnte und ob irgendjemand ihr glauben würde, war eine ganz andere Frage.
22
Nikita stand in der Küche und sah sich um. Sie hätte sich fast um einen Tag zurückversetzt gefühlt, wenn sich seither nicht so viel verändert hätte, dass sie sich wie ein ganz anderer Mensch fühlte. In Wahrheit hatte sich nichts außer ihr selbst und ihrer Selbstwahrnehmung verändert.
Bist du ein Roboter? Sarkasmus wäre schlimm genug gewesen, aber der argwöhnische Ernst, mit dem er das gefragt hatte, hatte ihr mitten durchs Herz geschnitten.
Sie wünschte sich, sie könnte ihn hassen, aber das würde nicht passieren. Sie konnte ihn nicht hassen. Sie hasste es, in dieser Lage zu sein, sie hasste den emotionalen Käfig, in dem sie lebte, sie hasste die Angst, die sie zu diesem Leben zwang, aber Knox würde sie niemals hassen.
Er war … jemand Besonderes, und sie glaubte nicht, dass er wusste, wie viel er den Menschen bedeutete. Als man auf sie geschossen und er Verstärkung gerufen hatte und daraufhin das gesamte verdammte Einsatzkommando mitsamt dem Sheriff’s Department angerollt gekommen war, hatte er spaßeshalber bemerkt, dass sie ihn liebten – und das war die nackte Wahrheit. Vielleicht hätten sie es nicht so ausgedrückt; vielleicht hätten sie versichert, er sei ein anständiger Kerl, sie würden ihn mögen, oder eine der unzähligen anderen Phrasen benutzt, mit denen Menschen ausdrücken, dass ihnen jemand am Herzen liegt, aber die Bedeutung war immer dieselbe.
Die Zuneigung, die er überall genoss, würde dafür sorgen, dass die Menschen im Zweifel zu ihm halten würden, falls peinliche Fragen gestellt würden. Im Moment hing so vieles vom Zufall ab: ob jemand zufällig vorbeigefahren war und Knox’ Wagen bemerkt hatte, ob sich derjenige die Uhrzeit gemerkt hatte und ob er die belastende Beobachtung gegenüber der falschen Person erwähnt hatte. Ob alle problematischen Details vertuscht werden konnten, blieb abzuwarten. Falls alles perfekt zusammenpasste, würde ihnen nichts passieren. Falls nicht – würde sie und damit ihre Mission auffliegen.
Müßig sann sie darüber nach, was dann wohl passieren würde. Es gab mehrere Möglichkeiten, wobei es am wahrscheinlichsten war, dass man ihr nicht glauben würde und sie ihre Ausrüstung vorführen musste, was die Menschen eventuell genauso wenig überzeugen würde. Gut, sie hatte damit Knox’ Neugier wecken können, aber wirklich überzeugt war er erst gewesen, als Luttrell aus dem Nichts aufgetaucht war. Dummerweise würde jede Vorführung ihres Laserstiftes den Sheriff ein- für allemal davon überzeugen, dass sie Jesse Bingham umgebracht hatte.
Wenn man ihr doch glaubte, würden sich die Ereignisse überschlagen. Bestimmt würde man sich mit der Regierung in Washington in Verbindung setzen. Vor allem mit dem FBI. Ihre eigene Behörde, wenn auch zweihundert Jahre von ihrer Wirklichkeit entfernt, würde sie in Gewahrsam nehmen. Sie würde verhört, untersucht, einem Sperrfeuer an psychologischen Tests unterzogen und zu ihrer eigenen Sicherheit gefangen gehalten werden. Sie besaß einen gefälschten Führerschein und eine gefälschte Kreditkarte. Sie hatte viel Bargeld bei sich. Mehr noch, in dieser Epoche hatten die Menschen eine Sozialversicherungsnummer; sie nicht. Sie trug eine in die Haut tätowierte Seriennummer. Sie war Nummer 233704272177. Die ersten vier Zahlen waren die Schöpfungsziffern: Sie war Nummer 2337. Die übrigen gaben ihr »Geburtsdatum« in der Reihenfolge Monat-Tag-Jahr an: 27. April 2177.
Daran würde sich das FBI richtig austoben können.
Andererseits konnte sie ihnen so vieles beibringen. Sie konnte mit den Wissenschaftlern reden und ihnen alles erzählen, was sie über statische Laser wusste, über Antigravitations-Düsen, Raumreisen, Überlichtgeschwindigkeitsantrieb – was zugegebenermaßen nicht so viel war, wie ihnen ein Wissenschaftler aus der Zukunft verraten könnte, aber sie war eine intelligente, belesene Frau und hatte in den Fächern, die sie am College studiert hatte, exzellent abgeschlossen. Sie konnte Zeichnungen von Raumschiffen oder von Privatfahrzeugen anfertigen, aber ob sie jemanden damit überzeugen konnte, wusste sie nicht.
Ohne ihre Manschetten, ohne handfeste Beweise, konnte sie überhaupt nichts belegen. Ihr Laserstift und der DNA-Scanner würden zerlegt werden, und sie
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