Mitternachtsmorde
Sie sich das an«, ehe er die Fernbedienung drückte und das Magnetband im Schnellvorlauf abspielte. Dann stoppte er die Aufzeichnung und gab sie Bild für Bild wieder. Sie erkannte das Gerichtsgebäude, in dem sie momentan festgehalten wurde, aber ansonsten war alles still, nichts passierte. Aus den dunklen Schatten und Flächen schloss sie, dass die Bilder nachts aufgezeichnet worden waren.
Dann erfüllte ein grellweißer Blitz das Bild.
Sie schoss hoch und starrte auf den Schirm. Das nächste Bild zeigte dieselbe Szene, nur dass jetzt ein Loch im Boden zu sein schien, wo zuvor keines gewesen war.
»Wissen Sie irgendwas über diesen Blitz?«, fragte er gedehnt.
»Zu diesem Blitz kommt es, wenn jemand aus dem Transit aus- oder in ihn eintritt«, erklärte sie verblüfft. »Aber – aber unsere Aufzeichnungen zeigen nicht an, dass jemand an diesem Ort eingetreten wäre. Wann war das?«
»Am Montagmorgen«, sagte er und tippte auf ihre Skizze, auf der angezeigt war, wann der Mörder in ihre Zeit eingetreten war.
»Er ist nicht hier gelandet«, beharrte sie. »Die Koordinaten bezeichnen eine Stelle mehrere Kilometer östlich von hier. Ich war dort, ich habe die Stelle gefunden. Genau dort wurde Houseman getötet. Er war nicht hier.«
»Wer war dann hier? Hätten Sie eine Idee?«
Sie schüttelte den Kopf. Sie hatte die Daten überprüft; die einzigen Transits waren die des Mörders, von Houseman und von McElroy gewesen – oder aber jemand war nach ihrem Transit hier eingetroffen. Dieser Jemand hätte es problemlos so einrichten können, dass er vor dem Mörder, vor allen anderen eintraf; es war nicht gerade einfach, die Zeit- und Raumkoordinaten einzustellen, aber ihre Computer bewältigten diese Aufgabe innerhalb weniger Sekundenbruchteile.
Noch jemand war hergekommen. Wer? Warum? War dieser Jemand der Mensch, der auf sie geschossen hatte? Und wenn ja, dann noch mal: Warum?
9
»Ich würde meinen, das bedeutet nichts Gutes für Sie.« Er beobachtete sie scharf.
Nikita schüttelte den Kopf. »Da ist jemand angekommen, von dem ich nichts weiß. Das könnte etwas Gutes oder etwas Schlechtes bedeuten. Ich kann unmöglich wissen, ob er ein autorisierter Reisender war oder ob sich der Mörder Verstärkung geholt hat.« Sie deutete auf den Bildschirm. »Das Loch im Boden … was hat das zu bedeuten?« Sie glaubte, es zu wissen, und fragte sich, wie sie und mit ihr alle anderen so raffiniert sein konnten, dass sie sich selbst übers Ohr gehauen hatten.
»Vor zwanzig Jahren wurde an dieser Stelle eine Zeitkapsel vergraben. Am Montagmorgen hat sie jemand ausgegraben und gestohlen. Wollen Sie damit sagen, dass das einer von Ihren Zeitreisenden war? Erstens, warum ist auf dem Film nichts davon zu sehen, wie er sie ausgräbt? Und zweitens – wozu, in aller Welt, würde jemand eine Zeitkapsel stehlen wollen?«
»Das weiß ich auch nicht. Wie viel Zeit hätte er denn gehabt, um die Zeitkapsel zu bergen?«
»Na schön, immerhin ein paar Sekunden. Aber das reicht bei weitem nicht aus, um ein Loch zu graben, eine Metallkassette aus dem Boden zu heben und damit wieder zu verschwinden.«
Natürlich hatte man in ihrer Zeit Möglichkeiten, das innerhalb kürzester Zeit zu bewerkstelligen, aber sie wollte ihm nicht alles verraten, was für sie technisch machbar war. Immerhin war denkbar, dass sie die Technik gegen ihn einsetzen musste.
»Das erklärt also immer noch nicht, wohin die Zeitkapsel verschwunden ist.« Er wirkte enttäuscht. »Und wie steht es mit dem zweiten Teil meiner Frage: Warum?«
»In dieser Zeitkapsel befand sich ein Papier, auf dem die Theorie und ein Teil der Prozedur beschrieben wurde, mit der das Zeitreisen möglich wird«, erklärte sie. »Falls sich dieses Papier nicht mehr in der Zeitkapsel befindet, wenn sie 2085 geöffnet wird, oder falls die Zeitkapsel selbst gestohlen wird, dann wird diese Technologie nicht entwickelt werden.«
»In unserer kleinen Zeitkapsel?«, fragte er skeptisch. »Wer soll das geschrieben haben? Ich wüsste nicht, dass in unserer Gegend ein genialer Quantenphysiker lebt.«
»Niemand weiß, wer das Papier geschrieben hat. Vielleicht war das irgendwann mal bekannt, aber diese Information hat nicht überlebt. Ein großer Teil der digitalen Informationen ging verloren oder wurde zerstört, ehe man begriff, dass man Daten lieber nicht auf Laserdisks archivieren sollte.«
»Ich war dabei«, bemerkte er geistesabwesend.
»Was? Wann?«
»Als die Kapsel vergraben wurde. Am
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