Mitternachtsspiele: Ein erotisches Rendezvous / 100 Wünsche hast du frei (German Edition)
fragte Julia begeistert.
„Hast du was dagegen, wenn ich das allein lese?“
Es war eine rein rhetorische Frage, denn Mallory wusste, ihre Cousine würde keinen Zentimeter von ihrer Seite weichen. Also öffnete sie den Umschlag und begann zu lesen.
Julia neben ihr las laut mit: „ Nur ein allerletztes Mal. Ein Leben lang. Ich warte auf dich – falls du dich traust. Mein Gott, wie romantisch!!!“
Julias hingerissenes Gequietsche schrillte in Mallorys Ohren.
„So viel zum Thema allein lesen“, murrte sie, während sie am ganzen Leib zu zittern begann, als sie die kurzen Zeilen ein zweites Mal überflog.
Es war romantisch – und zutiefst beunruhigend.
Mallory hatte keine Ahnung, was Jack dazu bewogen hatte, seine Meinung zu ändern. Sie kannte ihn allerdings gut genug, um zu wissen, dass er diesen Brief nicht geschrieben hätte, wenn er nicht jedes Wort genau so meinen würde, wie es da stand.
Sie nahm den leeren Briefumschlag zur Hand. Das Absendedatum lag über eine Woche zurück. Die Absenderadresse war ihr völlig unbekannt. Ein Ort irgendwo im Umland. Er hatte sich zurückgezogen, um sich über etwas klar zu werden.
„Was denkt er denn, wie du da hinkommen sollst?“ wunderte sich Julia.
„Gute Frage.“
Nichts gab einen Hinweis darauf, wie sie den Ort finden konnte. Sie würde wohl einen Stadtplan brauchen, der auch die Vororte zeigte. Sie befühlte das Papier zwischen ihren Fingern, als ob sie noch die Wärme von Jacks Berührung spüren könne.
„Aber“, meinte sie dann, „was gut ist, ist nie leicht zu kriegen, richtig?“
Julia, die keine Ahnung hatte, wie viele Einladungen zwischen Mallory und Jack schon hin und her gegangen waren, nickte nur und sah reichlich verwundert aus.
Mallory hingegen war sich ganz sicher. Wenn sie Jack haben wollte, würde sie sich dafür anstrengen müssen. Noch nie hat eine Frau meinetwegen ihre eigenen Grenzen überschritten. An diesen Satz von ihm konnte sie sich noch genau erinnern.
Sie war sich auch ziemlich sicher, dass er es ihr nicht einfach nur schwer machen wollte. Wenn sie ihn aber tatsächlich ausfindig machte, dann würde sie ihm damit zeigen, dass er ihr jede Anstrengung wert war.
Es war eine Herausforderung, und diesmal ging es um nicht mehr und nicht weniger als den Rest ihres Lebens.
Mallory parkte den Mietwagen vor dem Haus, dessen Adresse auf dem Briefumschlag gestanden hatte. Noch einmal prüfte sie die Nummer am Briefkasten, doch als sie das wunderschöne viktorianische Gebäude mit dem weißen Gartenzaun davor gesehen hatte, war ihr sofort klar gewesen, dass sie hier richtig war. Es war ein malerisches und liebenswürdiges Anwesen, und es nannte sich Zuhause.
Sie stieg aus dem Auto und kümmerte sich nicht um den Regen. Suchend sah sie sich um, ob irgendetwas ihr vertraut erschien. Doch bis auf ihre kribbelnden Handflächen und ihr erwartungsvoll pochendes Blut deutete nichts auf Jacks Anwesenheit hin.
Mit übergezogener Kapuze und fest zusammengehaltenen Mantelaufschlägen ging sie auf die Eingangstür zu. Sie hatte noch nie an ihren Fingernägeln gekaut, doch in diesem Momentwar sie drauf und dran, damit zu beginnen. Es war Jack gewesen, der die Einladung geschickt hatte, aber natürlich hatte sie sich wieder ihre eigenen Gedanken dazu gemacht und war entsprechend vor bereitet.
Jetzt, nachdem sie einander wochenlang nicht gesehen hatten, war sie nervöser als am allerersten Abend. Aber sie wollte ihn haben, für immer, und da war es besser, er wusste gleich von Anfang an, dass die alte Mallory ein für alle Mal verschwunden war. Mit der neuen Mallory würde nichts langweilig und vorhersehbar sein.
Sie ging die wenigen Treppenstufen hinauf und klingelte.
Jack hatte beobachtet, wie sie vorgefahren war, und öffnete die Tür im selben Moment, als es klingelte. Es war ein unwirklicher Moment, als die Frau, die der Dreh- und Angelpunkt seiner Fantasien war, an ihm vorbei ins Trockene schlüpfte.
Sie schob die Kapuze nach hinten und begegnete seinem Blick, ein zögerndes Lächeln auf den Lippen. „Ich nehme mal an, das hier ist das richtige Haus“, sagte sie.
Das richtige Haus und der richtige Mann.
„Schön, dass du es so einfach gefunden hast“, erwiderte er.
„Oh, normalerweise verfahre ich mich dauernd, aber zum Glück gibt es ja das Internet. Da kriegt man detaillierte Beschreibungen für jede Route, und zwar von Haustür zu Haustür. Sehr praktisch, muss ich sagen.“
Auf einmal herrschte eine merkwürdige Stille,
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